Magazinrundschau

Die Pathosfloskeln des Kulturgutschutzes

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
03.03.2015. The Nation sucht die Grundidee der Filme Godards. Der New Yorker guckt seinem persönlichen chinesischen Zensor bei der Arbeit zu. Im Merkur hat Walter Grasskamp nichts gegen den Verkauf von ein paar Warhols. Die LRB winkt 47 Prozent aller Jobs leise Adieu. El Pais Semanal analysiert die rechten Politiker mit der linken Dialektik in Lateinamerika. Wired schildert den Informationsaufstand in Nordkorea. Ceska pozice stellt den Orientalisten Alois Musil vor, der schon vor siebzig Jahren den Dialog der Religionen pflegte. Die New York Times schickt Karl Ove Knausgaard durch die USA.

The Nation (USA), 16.03.2015

J. Hoberman, einer der Veteranen der amerikanischen Filmkritik, meditiert klug und kenntnisreich über einen Band mit Vorlesungen, die Jean-Luc Godard 1978 an der Concordia-Universität von Montreal hielt - einem Auszug aus seinem unendlichen Selbstgespräch mit dem Publikum, wie immer voller messerscharfer Sentenzen und dahingesagter Perfidien. Hoberman sieht sich auch Godards neusten Film "Adieu au langage" (Trailer) an, und er kommt zu einem Schluss, der Godards Kino sehr gut beschreibt: "Godards Grundidee, die ihn von André Bazin unterscheidet und in der Tradition Eisensteins positioniert, ist, dass Kino (das er einmal als "Malerei, die sich wie Musik konstruieren lässt" beschreibt) auf Kontrasten basiert, auf der Konkurrenz von einer Einstellung, einem Sound zu einem anderen, vor allem aus einem Gegenüber von Dingen, die antithetisch erscheinen mögen: "Schnitt ist anders und allein dem Kino eigen." Das Medium wird durch die Montage definiert, einem Begriff, der im Französischen "zusammenbauen" oder "verbinden" bedeutet. Das ist der Sinn des Titels "One plus One", den er seinem Rolling-Stones-Film gab und den sein Produzent in "Sympathy for the Devil" umtitelte."
Archiv: The Nation

Telerama (Frankreich), 02.03.2015

Es gibt nicht die eine richtige Art und Weise, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu denken, erklärt die Politikwissenschaftlerin Camille Froidevaux-Metterie in einem Gespräch über ihren Essay "La Révolution du féminin". Darin vertritt sie die provokante These, der Feminismus habe die Frauen wirklichkeitsfremd werden lassen. In der westlichen Welt sei es obsolet geworden, weiterhin von einer Dominanz der Männer zu sprechen: "Nun bleiben laut der zeitgenössischen feministischen Theorie die Frauen aber dominierte Subjekte. Sie hat den Kampf sogar auf alle Herrschaftsbeziehungen ausgeweitet, indem sie Geschlecht, Klasse und Rasse miteinander verknüpft: Frauen sind demnach eingeschlossen in ein gigantisches Kollektiv, das alle Unterdrückten zusammenfasst. Dadurch hat der Feminismus seinen anfänglichen Gegenstand aus dem Blick verloren. Er bringt mit einem verwunderlichen Taschenspielertrick das weibliche Subjekt selbst zum Verschwinden..."
Archiv: Telerama

New Yorker (USA), 09.03.2015

Im neuen New Yorker erklärt der Publizist Peter Hessler die Feinheiten der chinesischen Zensur. Indem er seinen persönlichen Zensor Zhang Jiren bei "Shanghai Translation" beobachtet, stellt er fest, dass die Unterschiede zu westlichen Publikationsgepflogenheiten gar nicht so groß sind: "Im Westen gibt es diese selbstherrliche Tendenz in Sachen Zensur, die bei vergleichbaren Themen wie Armut als unangebracht angesehen wird. ... Ein Begriff wie "Selbstzensur", bei uns gern verwendet, gibt dem Individuum in einer Weise die Schuld, die vielleicht nicht gerechtfertigt ist. Wir haben kein wirtschaftliches Äquivalent, keine treffende Bezeichnung dafür, was arme Menschen angeblich tun, um ihre eigene Armut zu verfestigen. Jemand wie Zhang, der in einem viel restriktiveren System aufgewachsen ist als dem heutigen, würde sich eher in positiven Begriffen beschreiben. Aus seiner Perspektive ist Selbstzensur nicht das Entscheidende, sondern die Anstrengungen, derer es bedarf, um dem chinesischen Leser ausländische Bücher zugänglich zu machen. Dafür geht er echte Risiken ein."

Außerdem erzählt Eric Schlosser in einer Reportage, wie drei christliche Pazifisten - zwischen Ende fünfzig und 82 Jahre alt - unbehelligt und ohne irgendeinen Alarm auszulösen auf das Gelände einer Nuklearwaffenfabrik spazierten, dort eine halbe Stunde religiöse Lieder sangen, um den Ort "zu heilen", und dann von einer zufällig vorbeifahrenden Patrouille aufgegriffen wurden. Alle drei wurden zu Gefängisstrafen verurteilt. Besprochen werden ein Buch über New York Hardcore 1980-1990 sowie Filme von David Cronenberg ("Maps to the Stars") und Yann Demange (""71"). Und: Stephen King liefert eine Story aus dem Wilden Westen: "A Death".
Archiv: New Yorker

Merkur (Deutschland), 02.03.2015

Der Kunsthistoriker Walter Grasskamp kann an dem Verkauf der beiden Andy Warhols aus der Aachener Spielbank nichts Skandalöses finden, wahrscheinlich hätte das Marketinggenie Warhol Hannelore Kraft sogar ein Porträt im Polaroid-Glitzerramsch-Stil gewidmet: "Die Pathosfloskeln des Kulturgutschutzes wirkten in diesem Fall besonders trivial, weil die beiden zweifellos museums-überreifen Werke selber den Umgang mit Bildern thematisieren, und zwar, wie bei Warhol üblich, in der oberflächlichen Bearbeitung von als solchen erkennbaren Reproduktionen aus Massenmedien. Man konnte sich also fragen, ob die gerasterte Abbildung der beiden Werke auf dem knistrigen Papier einer Tageszeitung nicht viel besser der Denkweise Warhols entsprach, als es die Dauerpräsentation auf einer keimfreien Museumswand je hätte leisten können, weil die journalistische Skandalisierung des Verkaufs die "Pop-Ikonen" dorthin zurückführte, wo sie herkamen - in die Massenmedien."

Die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies rekapituliert die deutsche Debatte um die Ukraine und Russland, und wirft den linken Russlandverstehern politisches und publizistisches Totalversagen vor: "In der Ukraine hat eine politisch heterogene Protestbewegung, in der die vielbeschworenen Rechten eine Minderheit waren und deren geringer gesellschaftlicher Rückhalt in den ukrainischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen offenbar wurde, ein autoritäres Regime gestürzt, dessen Führer sich schamlos selbst bereichert hatten. Putin legitimierte die militärische Intervention in Russlands Nachbarland mit völkisch-nationalen Argumenten und tut alles, um eine demokratische Entwicklung sowohl in der Ukraine als auch in Russland zu verhindern. Für Linke, so müsste man meinen, gäbe es in der Ukraine einiges zu entdecken, in Russland derzeit eher wenig."
Archiv: Merkur

London Review of Books (UK), 02.03.2015

John Lanchester wirft einen Blick auf die neue Arbeitswelt, in der Roboter, Maschinen und eine avancierte Software nicht nur einen Großteil der Routine-Arbeiten übernommen haben, sondern bald auch Anwälte, Journalisten, Finanz-Analysten, Bibliothekare ersetzen. Wer soll aber all die schönen Gadgets kaufen, wenn niemand mehr Arbeit hat?, fragt Lanchester: "Die Vorstellung, dass wirtschaftlicher Wandel für die soziale Ordnung so umwälzend sein kann, dass die Gesellschaft dagegen rebelliert, eine solche Vorstellung ist aus dem Reich des Möglichen anscheinend verschwunden. Doch das Verschwinden von 47 Prozent aller Jobs in zwei Jahrzehnten (nach Frey und Osborne) muss am Rande dessen sein, was eine Gesellschaft verkraften kann, und zwar nicht so sehr wegen der 47 Prozent, sondern wegen des Zeitrahmens. Jobs verschwinden, so ist es schon immer gewesen. Doch dass Jobs in einer solchen Geschwindigkeit wegfallen, ist neu, und die Suche nach historischen Vorläufern, aus denen wir lernen könnten, wird uns nicht weit bringen."

Außerdem: Jenny Diski erzählt, warum sie in ihrer Jugend nicht das getan hat, was man von ihr verlangte. Adam Phillips plädiert gegen Selbstkritik.

La regle du jeu (Frankreich), 02.03.2015

Von Anfang an steckt im Verbrechen des Holocaust auch die Dimension der Verleugnung, schreibt die Psychoanalytikerin Agnès Aflalo in einem Artikel über "Antisemitimsus heute": "Seit ihrem ersten Tag hält die unbewusste Verleugnung der Schoa bis heute an. Sie hat seit der offiziellen Enthüllung im Jahr 1945 bis zum gewöhnlichen Antisemitismus im Frankreich und Europa unserer Tage nur unterschiedliche Formen angenommen. Wir wissen, das eine Menge Länder schon während des Zweiten Weltkriegs über ihre Existenz informiert waren, aber sie wollten diese Realität nicht wahrhaben."
Archiv: La regle du jeu

Wired (USA), 01.03.2015

Lässt sich mit der "Titanic"-Schnulze eine Revolution in Gang bringen? Oder mit der US-Sitcom "Friends"? Offenbar schon, wenn man Andy Greenbergs Reportage über nordkoreanische Dissidenten, die unter abenteuerlichen Bedingungen USB-Sticks und Festplatten mit amerikanischen Filmen und Serien ins Land schmuggeln, glauben kann. Schmuggler wie Kang zielen vor allem darauf, die Propaganda in den streng reglementierten, abgeschirmten nordkoreanischen Medien zu konterkarieren, erklärt Greenberg: "Für Kang ist jeder dieser begehrten Flash-Drives daher eine selbstangetriebene Waffe im Informationsaufstand. "Jetzt gerade wissen etwa 30 Prozent der nordkoreanischen Bevölkerung etwas vom Ausland", sagt Kang. "Bei 50 Prozent werden es genügend Leute sein, um Forderungen nach Veränderungen aufzustellen." Und wenn dieses erleuchtete Publikum auf 80 Prozent anwächst? Oder gar 90? Kang lehnt sich nach vorne: "Dann gibt es für die nordkoreanische Regierung keine Möglichkeit mehr, in ihrer jetzigen Form weiterzubestehen.""
Archiv: Wired

El Pais Semanal (Spanien), 01.03.2015

"Mit Nestor Kirchner konnte man reden, Cristina ist dafür viel zu schiitisch, zu fundamentalistisch, zu sehr von ihrem Wahn überzeugt." Jesús Ruiz Mantilla unterhält sich mit dem argentinischen Enthüllungsjournalisten Jorge Lanata, einem der schärfsten linken Kritiker von Präsidentin Kirchner: "Beide Kirchners waren beziehungsweise sind der festen Überzeugung, dass man nur mit Geld erfolgreich Politik machen kann. "Du bist Unternehmer und willst eine Brücke bauen? Bitteschön, da hast du den Auftrag, aber ab sofort bis in alle Ewigkeit komme ich an jedem Zehnten des Monats vorbei und kassiere meinen Anteil." Politisch funktionieren die Kirchners wie das System von Hugo Chávez, eine Gruppe von Rechten mit einer linken Dialektik. Nur das Militär spielt dabei keine Rolle mehr, anders als in Venezuela. Was die Medien angeht, so stehen inzwischen 80 Prozent direkt oder indirekt unter dem Einfluss der Regierung. Die restlichen 20 Prozent erreichen dafür 80 Prozent der Leute."
Archiv: El Pais Semanal

Nepszabadsag (Ungarn), 28.02.2015

Der polnische Schriftsteller und Theatermann Tadeusz Slobodzianek und der ungarische Dramatiker György Spiró haben an einer vom Polnischen Institut organisierten Podiumsdiskussion in Budapest teilgenommen. Hat die Wende auch für die Theater die ersehnte Freiheit gebracht? Gábor Miklós besuchte die Veranstaltung, sprach mit den Teilnehmern und berichtete in der Wochenendausgabe von Népszabadság: "Die Abhängigkeit von der Politik - so Spiró - ist geblieben, denn von Ticketerlösen können Theater nicht überleben... Aber immerhin ist es eine große Errungenschaft, dass die Häuser ihr Publikum halten und jüngere Schichten ansprechen konnten... Slobodzianek klagt, dass "radikale Künstler" im polnischen Theater ihre Stücke meist für internationale Festivals konzipierten, doch beim heimischen Publikum gelten sie verbreitet als Flops. (...) "In Polen herrscht eine Diktatur der Kritiker" - so Slobodzianek."
Archiv: Nepszabadsag

Oxford American (USA), 26.02.2015

John Jeremiah Sullivan und Joel Finsel erzählen die eindrucksvolle Geschichte von Charles Love, einem Zeitungsherausgeber und Helden der frühen Bürgerrechtsbewegung. Love hatte Ende des 19. Jahrhunderts großen Anteil daran, in Texas das Wahlrecht für Schwarze durchzusetzen. Dabei ging er unglaubliche Koalitionen ein. Aber erst muss man erklären, was der Mann war: ein schwarzer Albino, ein weißer Schwarzer, dessen "Rassenzuschreibung" bei jeder Volkszählung wechselte: "Zuerst wurde Love als Mulatte beschrieben, wie seine Mutter. Aber 1900 wurde er schwarz. Nachbesserungen und Veränderungen in der Rubrik Rassenbeschreibung waren nichts ungewöhnliches. Wer Volkszählungen auswertet, gewöhnt sich daran. Die Tendenz geht immer weg von der Komplexität, das rassisch gemischte Mittelfeld wirkt offenbar am bedrohlichsten. Die Volkszählung wurde zu einem Mittel, es verschwinden zu lassen. Statt einer vitalen und zählbaren Population von Ms - Mulatten, Mestizen, Mischlingen, Multiplen etc. - gab es schließlich nur noch NBCs, Neger, Schwarze und Farbige. Ausgenommen den wenigen, die so hell waren, dass sie stillschweigend als Weiße eingestuft wurden." Warum sich Love dann in den 1890er Jahren den "Lilienweißen" anschloss, einer Partei innerhalb der Republikaner, um das Wahlrecht für Schwarze zu fördern, das - muss man selbst lesen.

Die Printausgabe des Magazins ist der Musik aus dem Süden der USA gewidmet.
Archiv: Oxford American

Svobodne forum (Tschechien), 27.02.2015

Miroslava Němcová, Politikerin der liberal-konservativen Partei ODS, warnt eindringlich vor dem Entstehen einer Oligarchie in Tschechien: "Wir müssen scharf beobachten, was bei uns zu Hause geschieht. Unter der medialen Oberfläche vollzieht sich ein allmählicher, aber umso gefährlicherer Wandel der gesellschaftlichen Ordnung. Beginnen wir mit dem höchsten Staatsamt, dem Präsidenten. Seine Umgarnung Russlands und Chinas entfernt uns mit jedem Schritt und jeder Äußerung von dem Wertegefüge, das wir zur Vereinfachung den Westen nennen. (…) Auf Regierungsebene wiederum gibt es eine prinzipielle Bedrohung: die Beherrschung des Staates durch Agrofert. Andrej Babiš besitzt Zeitungen und Radiosender, ist Vorsitzender seiner Partei. Er hat Einfluss und Macht in Politik und Wirtschaft. Sein Unternehmen Agrofert schöpft Milliarden aus Subventionen und öffentlichen Aufträgen aus dem Staatshaushalt, und seine Stiftung kauft (Pardon, unterstützt) eine wachsende Anzahl von Sportlern und Künstlern. (…) Das Land wendet sich in Richtung Osten. Big Business wird gestärkt, Gewerbetreibende und die Mittelschicht werden geschwächt."
Archiv: Svobodne forum

Espresso (Italien), 26.02.2015

Roberto Saviano attackiert die italienische Gesundheitsministerin Marianna Madia, die in der Frage der Sterbehilfe für eine "Grauzone" plädiert hat, in der Angehörigen die Entscheidung überlassen bliebe: ""Grauzone", das heißt heimliche Sterbehilfe oder Selbstmorde kranker Personen (wie soll man die extreme und mutige letzte Geste von Mario Monicelli vergessen). "Grauzone" ist die Reise in die Schweiz oder andere Länder, in denen Euthanasie legal ist. So sieht es aus, wenn man die "Entscheidung über diesen so geheimnisvollen Schritt den Angehörigen und Liebenden überlässt". Und ich füge hinzu, dass das medizinische Personal immer jene Wahl treffen wird, die am besten für es selbst ist und dabei sehr häufig den Wunsch des Kranken nicht respektiert."
Archiv: Espresso

Gizmodo (USA), 16.02.2015

Als Partner betrieben T.J. Cobden Sanderson und Emery Walker Anfang des 20. Jahrhunderts die englische Privatpresse Doves Press; ihre Bücher, von Hand gesetzt in der legendären Doves-Type, gelten als unübertroffene typografische Meisterwerke. Als sie sich überwarfen, versenkte Cobden Sanderson die Bleilettern - womöglich Hunderttausende - in der Themse, um zu verhindern, dass sie nach seinem Tod Walker zufallen, der sie einer maschinellen Verwendung zuführen könnte. Hundert Jahre später, im November 2014, gelang es dem Designer Robert Green, rund 150 davon zu bergen. Kelsey Campbell-Dollaghan erzählt die faszinierende Geschichte, in der sich laut Green auch der aktuelle Medienwandel spiegelt: ""Die Industrielle Revolution jagte ihnen eine Heidenangst ein und zwar zu recht", sagt Green über die Jahrhundertwende-Designer und weist darauf hin, dass die Digitalisierung die Arbeit von Grafikdesignern weiter abgewertet hat. "Sie wurde vollkommen entwertet. Es ist sehr schwer geworden, als Grafikdesigner seinen Lebensunterhalt zu verdienen." Dagegen erfreuen sich traditionelle Methoden wie der Typendruck wieder wachsender Beliebtheit. "Die Leute wenden sich dem Kunsthandwerk zu, um Geld zu verdienen", sagt Green, so ähnlich wie es auch Cobden Sanderson und seine Zeitgenossen taten. Nicht nur, weil es ihrer Arbeit Authentizität verleiht, sagt er, sondern auch "weil es Spaß macht"."


Die legendäre Doves-Type, behutsam modernisiert von Robert Green.

Archiv: Gizmodo

Ceska pozice (Tschechien), 25.02.2015

Bronislav Ostřanský macht eine Entdeckung: Das Buch des tschechischen Orientalistik-Professors Alois Musils (1868-1944) "Ze světa islámu" (Aus der Welt des Islam) sollte ursprünglich während des deutschen Protektorats erscheinen und ist nun nach 70 Jahren erstmals publiziert worden. "Den Orient zu erforschen war für ihn ein Weg, sich seiner selbst bewusst zu werden und der Provinzialität zu entfliehen. (…) Musil war nicht nur Orientalist, sondern auch Priester. Seine Erforschung und Bewertung des Islam lässt sich so auch im Zusammenhang mit den heutigen Bemühungen um den Dialog der Religionen sehen beziehungsweise mit den oft skeptischen Fragen, ob so ein Dialog überhaupt möglich sei. Musils Fazit mag überraschen: (…) Der Islam ist für ihn Teil derselben Zivilisationssphäre wie das Christentum. (…) "Wir sehen den Islam als orientalisches Bekenntnis, und doch ist er in Wirklichkeit der östliche Ausläufer der europäischen Bildung und Kultur". Musil erkennt mehr Gemeinsames und Verbindendes denn Unterschiede. Viele Jahrzehnte bevor Kulturanthropologen zu fragen begannen, wie viele "Islame" bzw. islamische Kulturen es gebe, untersuchte Alois Musil die verschiedenen Wege und Regionen des Islam - von den arabischen Wüsten bis hin zu den Gärten Persiens."
Archiv: Ceska pozice

New York Times (USA), 01.03.2015

Das aktuelle Magazin der New York Times bringt den ersten Teil eines wunderbaren Textes von Karl Ove Knausgaard. Knausgaard reist im Auftrag der Times zu den Stätten der Wikinger im Nordosten der USA. Dabei stößt der Autor auf allerhand kulturelle Differenzen, etwa in der Kommunikation oder was die Austauschbarkeit von Orten betrifft, am Beispiel Detroits: "Ich kenne Armut, unfassbare Armut, wie in den Slums von Mozambique. Aber so etwas hatte ich noch nie gesehen - Haus um Haus aufgegeben, verlassen und verfallen wie nach einer Katastrophe. Wenn das Armut war, dann eine ganz neue Art, etwa so, wie der Reichtum im 20. Jahrhundert hier ein ganz neuer war. Ich habe nie verstanden, wie eine Nation, die dem Individuum derart huldigt, alle Unterschiede so verwischen kann wie dieses Land. In einem System der Massenproduktion ist der Arbeiter ersetzbar und die Produkte sind identisch. Identische Autos, identische Tankstellen, identische Restaurants, identische Motels und die allgegenwärtigen identischen Fernseher, die identische Unterhaltung und identische Träume senden. Nicht mal der Sowjetunion auf der Höhe ihrer Macht ist es gelungen, so eine einheitliche, kollektive Identität zu erschaffen wie die der Amerikaner. In schwierigen Zeiten kann es passieren, dass jemand eine Stadt einfach verlässt und in eine andere zieht, und diese neue Stadt repräsentiert dann genau das gleiche. War das für die Amerikaner Zuhause, Heimat? Nicht der Ort, nicht die Nachbarschaft, sondern die Kultur, das Allgemeine?"


Nidaa Badwan, Foto aus der Serie "100 Tage Einsamkeit"

Jodi Rudoren porträtiert die palästinensische Künstlerin Nidaa Badwan, die seit über einem Jahr in einem etwa zehn Quadratmeter großen Zimmer im Gazastreifen lebt, den sie in dieser Zeit kaum je verlassen hat. Der Grund: der Konflikt mit Israel zum einen und die Hamas zum anderen, die ihr vorschreiben wollte, welche Kleidung sie draußen zu tragen habe. In ihrem Zimmer hat Badwan die Fotoserie "Hundert Tage Einsamkeit" produziert, 14 Selbstporträts, "die ebenso klassisch sind wie innovativ. "Ich warte auf das Licht", sagt Ms. Badwan, die manchmal eine Woche oder sogar einen Monat braucht, um Fotos zu konstruieren, die wie Gemälde aussehen. "Alles ist schön, aber nur in meinem Zimmer, nicht in Gaza. Ich bin bereit in diesem Zimmer zu sterben, wenn ich keinen besseren Ort finde. Man kann sagen, es gibt jetzt ein anderes Leben für mich", fügt sie hinzu. "Ich fühle, ich lebe nicht hier. Das Projekt hat neue Fenster für mich gemacht.""

Außerdem: David Amsden stellt uns den Anwalt John Cummings vor, der in Louisiana auf eigene Faust das erste amerikanische Museum aufbaut, das sich mit der Sklaverei befasst. Und Julia Ioffe sieht nach dem Mord an Boris Nemtsov in Moskau schon wieder die alten Mechanismen am Werk: Herunterspielung und Vertuschung von ganz oben.
Archiv: New York Times