07.10.2006. Am 7. Oktober wurde in Moskau die russische Journalistin Anna Politkowskaja ermordet in ihrem Wohnhaus aufgefunden. Sie war eine der schärfsten Kritikerinnen Putins und des Tschetschenienkriegs. Ein Linkdossier.
Am Samstag wurde die russische Journalistin und Putin-Kritikerin
Anna Politkowskaja im Aufzug ihres Wohnhauses in Moskau
erschossen aufgefunden. Politkowskaja, 1958 in New York geboren, war eine der renommiertesten und mutigsten Journalisten in Russland. Ihre Eltern kamen aus der russischen Nomenklatura. Sie waren u.a. Diplomaten bei der russischen Mission der Vereinten Nationen. Politkowskaja studierte in Moskau Journalistik und begann ihre Karriere 1982 bei der Zeitung
Iswestija. Ab 1999 schrieb sie für die kleine
regierungskritische Zeitung
Nowaja Gaseta in Moskau. Seit dieser Zeit berichtete sie regelmäßig über den
Tschetschenienkrieg. Ihr Buch "Tschetchenie: les deshonneur russe" (nicht identisch mit dem auf Deutsch erschienenen Buch
"Tschetschenien. Über den Krieg") wurde 2003 mit dem
ersten Lettre Ulysses Award für Reportage ausgezeichnet. Einen Auszug auf Deutsch können Sie
hier lesen. Politkowskaja war eine
scharfe Kritikerin Putins und dokumentierte zahlreiche Fälle von Misshandlung der tschetschenischen Zivilbevölkerung durch Regierungssoldaten.
2004, als sie nach Südrussland fliegen wollte, um über die
Geiselnahme in Beslan zu schreiben, wurde sie krank und zeigte Symptome einer Vergiftung. Sie konnte deshalb über Beslan nicht berichten. (Ein
Interview dazu mit ihr bei der
BBC)
Erste Meldungen über ihren Tod finden Sie
bei Spiegel Online und, etwas ausführlicher,
beim ZDF und in der
New York Times hier und
hier. Der
Guardian porträtierte sie 2004 anlässlich des Erscheinens ihres
Buches über Putin (
hier eine Leseprobe). Der
Observer überlegt, ob Politkowskajas Ermordung ein
Geburtstagsgeschenk für Präsident Putin und seinen Protege, den tschetschenischen Ministerpräsidenten Ramzan Kadyrow war. Putin hatte am Samstag Geburtstag, Kadyrow am Donnerstag.
Im Netz finden sich auch einige Artikel von Politkowskaja. Neben dem
Auszug in der
Lettre aus ihrem preisgekrönten Tschetscheniebuch gibt es einen Artikel von ihr über den
16-jährigen Tschetschenen Mahmud, der von Regierungssoldaten gefoltert wurde, und ein Interview mit ihr (beides auf Englisch) auf einer
dänischen Website. Der
Guardian hat mehrere ihrer Artikel über Tschetschenien veröffentlicht: Hier beschreibt sie in einem
Artikel von 2001 einige
Foltermethoden, die sie am eigenen Leib erfuhr, nachdem sie von russischen Soldaten verhaftet worden war. Hier ihre
Reportage vom April 2002 über russische Soldaten, die tschetschenischen Frauen mit
Vergewaltigung vor ihrer Familie drohen, falls sie sich nicht mit Geld freikaufen. Hier ihr
Report vom 30. Oktober 2002 über ihre kurze Verhandlung mit den Geiselnehmern in einem
Moskauer Theater. Und hier ihre
Reportage vom März 2006 über eine
Vergiftungswelle unter tschetschenischen Schulkindern.
Ausführliche Informationen über den Krieg in Tschetschenien mit Porträts der Beteiligten und Karte
bietet die
BBC. In der
FAZ veröffentlichte
Andre Glucksmann einen zornigen
Artikel über die Ermordung des gemäßigten tschetschenischen Politikers
Maschadow durch russische Soldaten, und im
Perlentaucher protestierte er gegen die windelweiche Haltung des Westens gegenüber Putin.
Reaktionen in der deutschsprachigen Presse vom
Montag in unserer
Feuilletonrundschau.