10.07.2023. Mark Aldanow führt uns mit Witz und Drastik an der Seite von drei Sowjetagenten ins Paris der Dreißiger, Liao Yiwu erzählt wüst-poetisch von einer Liebe unter Mao, die britische Autorin Sheena Patel zerlegt hart und klarsichtig den Zeitgeist und Peter Frankopan reist durch die Weltgeschichte des Klimas. Dies alles und mehr in unseren besten Büchern des Monats Juni.
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Lyrikkolumne "Tagtigall", dem
"Fotolot", in den
Kolumnen "Wo wir nicht sind" und
"Vorworte", in unseren
Büchern der Saison, den
Notizen zu den jüngsten
Literaturbeilagen und in den älteren
Bücherbriefen.
LiteraturMark AldanowDer Anfang vom EndeRoman
Rowohlt Verlag. 688 Seiten. 38 Euro
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Dieser Roman des in Kiew geborenen Autors Mark Aldanow, der uns ins
Paris der 1930er Jahre entführt, erschien vor achtzig Jahren zunächst in den USA, liegt nun erstmals auf Deutsch vor - und könnte aktueller nicht sein. Aldonow, der dreizehn mal für den Nobelpreis vorgeschlagen worden war, erzählt von drei sowjetischen Diplomaten, die
Stalins Interessen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in Paris vertreten sollen. Da erkannten die Kritiker gleich die Parallelen zur
Gegenwart: Der Auftrag der drei Agenten ist unklar, sie sind umgeben von Verrat und (gegenseitigem) Misstrauen, während sie in Pariser Salons mit Bankern und Literaten, Aristokraten und Bolschewiken, Franzosen, Russen und Deutschen über verschiedene Gesellschaftsmodelle diskutieren.
Zeit-Kritiker Adam Soboczynski ist in der Regel vorsichtig mit Superlativen, aber diesen Roman hält er für ein "großes und
unerwartetes Meisterwerk": Er bewundert nicht nur die so faszinierenden wie empathischen "
Psychogramme", die Aldonow von seinen von Angst und Zynismus geprägten Helden zeichnet. Den literarisch
avantgardistischen Roman, der zu herrlichen Slapstick-Momenten, aber nie zu moralischen Urteilen neigt, liest er auch als entschiedenes
Plädoyer für Liberalismus und gegen die Gewalt des Totalitarismus. In der
SZ hebt Ulrich Rüdenauer hervor, wie prägnant und radikal hier der Terror der UDSSR beschrieben wird. Ein wenig zu traditionalistisch erscheint hingegen Fabian Wolff im
Dlf Kultur der Roman.
Gabriela AdamesteanuDer Trevi-Brunnen Roman
Die Andere Bibliothek. 448 Seiten. 48 Euro
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Nach
"Provisorium der Liebe" (
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"Der gleiche Weg an jedem Tag" (leider derzeit nicht bei uns erhältlich) liegt nun der letzte Band der autobiografisch geprägten Roman-Trilogie von Gabriela Adamesteanu auf Deutsch vor - die Bände lassen sich aber auch gut unabhängig voneinander lesen, versichert uns Tobias Lehmkuhl im
Dlf: Denn die rumänische Schriftstellerin durchleuchte dieselben Ereignisse immer wieder neu. Wieder folgt er der inzwischen um vierzig Jahre gealterten Heldin Letitia Branea, die nach einer Affäre immer noch mit ihrem Mann in der französischen Provinz lebt. Diesmal wird allerdings nur ein einziger Tag in ihrem Leben geschildert: Letitia kehrt nach
Bukarest zurück, um das Erbe ihres Großvaters zu beanspruchen, aber auch, um eine Stadt wiederzusehen, die sie nie losgelassen hat. Während sie das Treffen mit einem Anwalt vorbereitet, Freunde trifft und Kaffee trinkt, rollt die
Vergangenheit "
wie in Wellen" über sie, vor allem die Erinnerung an ihre - damals illegale - Abtreibung im
Rumänien der siebziger Jahre, bei der sie ums Haar im Gefängnis gelandet oder verblutet wäre, resümiert Lehmkuhl. Der Abschluss der Trilogie besticht nicht nur durch die psychologisch exakte Figurenzeichnung, sondern auch durch die zahlreichen Verweise auf Flaubert, Balzac und vor allem Proust, meint der angetane Kritiker: Nur dass die Welt, die Adamesteanu beschreibt, geprägt ist von den "Bürokratien des Kommunismus, des post-kommunistischen Nepotismus' und den Nachwirkungen des rumänischen Faschismus der frühen vierziger Jahre", schließt er.
J. M. CoetzeeDer PoleRoman
S. Fischer Verlag. 144 Seiten. 20 Euro
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Alle Zeitungen haben das neue Buch von
J.
M.
Coetzee besprochen, die meisten auch sehr begeistert. In diesem schmalen Roman erzählt Coetzee die Geschichte eines siebzigjährigen polnischen Pianisten, der in Barcelona auf die deutlich jüngere, spanische Frau eines Bankiers trifft - da beide die Sprache des anderen nicht beherrschen, hapert es an der Kommunikation und doch finden sie zumindest in wenigen Momenten zueinander. Die KritikerInnen erkennen in dem Text nicht nur Anspielungen auf Dantes "Vita Nuova" und die Liebesgeschichte zwischen Chopin und George Sand, sondern auch Verweise auf Thomas Manns "Tod in Venedig". In der
FR ist Judith von Sternburg einmal mehr hin und weg von Coetzees
unerbittlichem Blick, der sich in der
Kargheit,
Knappheit und
Kälte dieses Textes auf besondere Art zeige. In der
FAS liest Simona Pfister nicht nur einen gelungenen Roman über Sprachbarrieren, sprachliche Verortung, überhaupt die Bedingungen von Kommunikation. Sie erkennt auch einmal mehr Coetzees Kritik an der Vormachtstellung der englischen Sprache, die noch verstärkt wird durch seine Entscheidung, "Der Pole" zuerst auf Spanisch, Niederländisch und Deutsch zu veröffentlichen und dann erst - im Herbst 2023 - auf Englisch (was die Übersetzer - hier Reinhild Böhnke - vor keine geringe Herausforderung stellte).
Welt-Kritikerin Gisela Trahms freut sich angesichts dieser "elegant" und temporeich erzählten Geschichte, dass der Autor nach einigen länglichen Romanen zur "
Narration unter Hochdruck" zurückkehrt, während Ursula März im
Dlf Kultur frohlockt: Niemand schreibt so diskret zauberisch über
Liebeserfüllung im Jenseits wie Coetzee. In der
SZ vermisst Thomas Steinfeld allerdings die Wucht der früheren Romane.
Sheena PatelI'm a FanRoman
Carl Hanser Verlag. 240 Seiten. 20 Euro
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Kann man einen Debütroman mehr auszeichnen als ihn gleich in der
Tradition von Dostojewskis "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" zu sehen, wie Jan Küveler es in der
Welt tut? Die britische Autorin Sheena Patel erzählt uns von einer jungen namenlosen Afrobritin, die zur Stalkerin wird. Objekt ihrer Obsession ist eine weiße und überaus woke Influencerin, die in ihrer inszenierten Perfektion all das hat, was die Erzählerin begehrt und damit zur Projektionsfläche für die Protagonistin wird. Die
Selbstanklage, die Patels Heldin hier formuliert, entlarvt die Mechanismen einer kranken Gesellschaft, stellt Küveler fest, der in dem Roman zahlreiche identitätspolitische Diskurse der Gegenwart entdeckt. Die eigentliche Stärke erkennt er aber darin, dass es Patel gelingt, die blinden Flecken in den Anklagen der liberalen Linken aufzudecken. "
Pflichtlektüre" für alle, die sich für den Zeitgeist interessieren, meint er.
Dlf-Kultur-Kritikerin Lara Sielmann liest hier
Sätze wie Diamanten so klein, hart, klarsichtig und einfach brillant. Für Sielmann ist der mit mit dem British Book Award 2023 ausgezeichnete Roman das schonungslose Porträt der gegenwärtigen britischen Gesellschaft, mitsamt den Rassismen, ihrem kolonialen Erbe, ihren Inszenierungspraktiken und Überwachungsmechanismen in den sozialen Medien. Der Roman hat "die Eindringlichkeit eines Tagebuchs, gepaart mit einer harten und
scharfen Klarheit",
urteilte der
Guardian.
Liao YiwuDie Liebe in Zeiten Mao ZedongsRoman
S. Fischer Verlag. 448 Seiten. 26 Euro
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Liao Yiwus neuen Roman haben bisher erst Cornelia Geißler in der
FR und Katharina Borchardt im
SWR besprochen. Aber vor allem Geißler ist spürbar beeindruckt von dem Werk, das Yiwu in den frühen 1990er Jahren als politischer Gefangener in einem chinesischen Gefängnis begonnen hatte und das
aus dem Knast herausgeschmuggelt werden musste. Yiwu wendet sich hier, der Titel lässt es erahnen, chinesischer Geschichte unter Mao Zedong zu. Erzählt wird in drei Teilen von Zhuang Zigui, einem leidenschaftlichen Mao-Anhänger, der seine Eltern denunziert und den erst die Liebe zu einer Frau, die ihn mit Freud, Nietzsche oder Pasternak vertraut macht, aus der ideologischen Bahn wirft, resümiert Geißler. Der Roman besticht nicht nur durch zahlreiche Verweise auf
chinesische Geschichte und Kultur, die im gründlichen Anhang erläutert werden, sondern auch durch Bildreichtum und "
grotesken Humor", schließt die Kritikerin, die ergänzend Liaos ebenfalls gerade auf Deutsch erschienene Schrift "Unsichtbare Kriegsführung" (
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SWR-Kritikerin Katharina Borchardt
hat "selten so turbulente Sexszenen gelesen in diesem hervorragend übersetzten Mix aus "Situationskomik, Sozialkritik und Traumpoesie". "Was für ein
wüst-
poetisches Erzähltalent!", ruft sie.
SachbuchPeter FrankopanZwischen Erde und HimmelKlima - eine Menschheitsgeschichte
Rowohlt Berlin. 1024 Seiten. 44 Euro
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Die Zeitungen haben lieber mit Peter Frankopan gesprochen, als seine immerhin tausendseitige Menschheitsgeschichte des Klimas zu rezensieren. Mit Jürgen Kaube (
FAZ) hat der britische Globalhistoriker über
ökologische Strafen in der Schöpfungsgeschichte geplaudert, mit Michael Hesse (
FR) über die Bedrohung durch
Vulkanausbrüche und mit Sophia Zessnik (
taz) über den Zusammenhang zwischen ökologischen Problemen und
Pogromen gegen Minderheiten: "In Zeiten von Nahrungsmittelknappheit und hohen Preisen werden leider immer wieder Sündenböcke gesucht. Das können wir aktuell auch wieder beobachten", warnt er im Interview. Immerhin Thomas Speckmann (
NZZ) hat das monumentale Werk gelesen, auch wenn er danach
schwarz für die Zukunft der Menschheit sieht: In dieser chronologisch geordneten "Reise durch die Weltgeschichte" lernt er, wie sich Klimaverhältnisse auf geschichtliche Entwicklungen auswirkten: So gab es in der Periode der sogenannten "Kleinen Eiszeit" von 1550-1800 nicht nur wenig Sonne, sondern auch lange Krisen wie den Dreißigjährigen Krieg. Zum anderen legt ihm Frankopan noch einmal dar, dass für die jüngsten, extremen Klimaveränderungen seit dem
Beginn der Industrialisierung vor allem der Mensch verantwortlich ist. Beunruhigt liest Speckmann zudem, dass es am Ende wohl die Natur sein wird, die das Klimaproblem mit ihren Mitteln lösen wird, und das bedeutet für die Menschheit nichts Gutes. Ein so reichhaltiges wie faszinierendes Buch,
lobt Steven Poole im
Guardian.
Philip HoareAlbrecht Dürer und der WalWie die Kunst die Welt erschaffen hat
Klett-Cotta Verlag. 320 Seiten. 30 Euro
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Nicht nur parallel zur aktuellen Ausstellung "
Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett" im Berliner Kulturforum, bei der es laut
FAZ-Kritiker Stefan Trinks immer noch
Neues zu entdecken gibt, empfehlen wir gern Philip Hoares Dürer-Biografie. Für den
Dlf-Kultur-Kritiker Thorsten Jantschek ist der britische Journalist, der hierzulande vor allem durch seine
Kulturgeschichte des Wals bekannt wurde, gar der große Meister der Künstlerbiografie. Zu Dürer findet Hoare einen
ganz eigenen Zugang, fernab von klassisch kunsthistorischer Abhandlung, verspricht Jantschek: In subjektiver, aber
von großem Wissen geprägter Herangehensweise erklärt der Biograf Dürer zugleich als Genie und als Mensch seiner Zeit, dessen breites Oeuvre, von Selbstbildnissen zu überbordend detailreichen Kupferstichen, dem Kritiker eine neue Welt eröffnet, die sich nicht nur auf die Kunst beschränkt. Aus der so anekdotenreichen wie launigen Erzählung taucht Jantschek nur ungern wieder auf. Hoare zu folgen ist "
absichtlich schwindelerregend",
schreibt im
Spectator Horatio Clare, der die Analysen der "Melancolia", der "Apokalypse" oder der Selbstporträts so schnell nicht vergessen wird: Denn Hoare verlässt vertraute Konventionen der Sachliteratur und verwandelt den Text in einen "
Karneval der Querverweise, der Fantasie und Assoziationen", staunt Clare, dem hier durchaus auch mal Thomas Mann oder W.G. Sebald begegnen. Dürer hätte es geliebt, schließt er.
Gilda SahebiUnser Schwert ist LiebeDie feministische Revolte im Iran
S. Fischer Verlag. 256 Seiten. 24 Euro
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Die Proteste der Frauen im Iran dauern weiterhin an, nur wird hierzulande kaum noch darüber berichtet. Die Buchproduktion hat überraschend schnell reagiert, eine
Liste mit Erscheinungen aus und über den Iran haben wir bereits im vergangenen Oktober zusammengestellt. Hervorheben wollen wir noch einmal das Buch der deutsch-iranischen Ärztin und Journalistin Gilda Sahebi, die die Ereignisse zwischen September und Dezember 2022 mit eigenen Kindheitserinnerungen verknüpft. Sahebi geht dem Schicksal protestierender Iraner und Iranerinnen nach, die vom Regime verschleppt oder ermordet wurden. Sie sprach mit Frauen, die nur
knapp der Hinrichtung entgingen, aber auch mit Menschrechtsaktivistinnen wie der Anwältin
Nasrin Sotoudeh. Als Hommage an die Freiheit liest
Dlf-Kritikerin Mechthild Klein das Buch, das den Leser zwar nicht mit der Darstellung
drastischer Details verschont, aber auch einiges an politischem Hintergrund bietet. In der
SZ verdankt René Wildangel Sahebi nicht nur "hervorragende Einblicke" in das Innere der Bewegung, sondern auch bewegende Porträts demonstrierender Frauen und vom Regime Verfolgter, wie der Journalistin
Elaheh Mohammadi oder des Rappers
Toomaj, der inhaftiert und gefoltert wurde. Ein
erschütterndes Bild des Widerstands und einer feministischen Revolution, zeigt sich
Dlf-Kultur-Kritikerin Monika Remé. Im
ZDF-Mittagsmagazin
spricht Sahebi über ihr Buch und die Revolte.
Manuela LenzenDer elektronische SpiegelMenschliches Denken und künstliche Intelligenz
C.H. Beck Verlag. 270 Seiten. 20 Euro
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Seit im März dieses Jahres
ChatGPT vorgestellt wurde, hagelt es in den Zeitungen Prognosen über den Weltuntergang durch KI. (Mehr
hier und
hier) Da tut es gut, wenn die Wissenschaftsjournalistin Manuela Lenzen der allgemeinen Hysterie mit ihrem Buch eine
unaufgeregte Analyse von künstlicher und menschlicher Intelligenz entgegensetzt, atmet Joachim Bauer in der
NZZ auf. Dabei übersehe Lenzen keineswegs das beeindruckende Potenzial von KI, lege aber auch überzeugend dar, weshalb der Mensch
keine Angst vor einer Art Bewusstsein von KI haben müsse: Die Autorin zeigt ihm, dass deren Funktionieren auf einem rein "mathematisch-statistischen Vorgehen" beruht, inhaltlichen Sinn können Computer hingegen nicht verstehen. Dass Lenzen all dies mit "
feinem Humor" erklärt, macht das Buch für Bauer besonders lesenswert.
Dlf-Kultur-Kritikerin Vera Linß lernt aus den anregenden und gut informierten Darstellungen darüber hinaus, wie überhaupt die menschliche Verstandestätigkeit funktioniert. Vor allem verdankt sie dem Buch die Erkenntnis, dass die Zukunft der künstlichen Intelligenz eben auch entscheidend davon abhängt, was
wir von ihr wollen und was wir gesellschaftlich aushandeln.
Gesine Dornblüth, Thomas FrankeJenseits von PutinRusslands toxische Gesellschaft
Herder Verlag. 208 Seiten. 20 Euro
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Die beiden Journalisten Gesine Dornblüth und Thomas Franke lebten seit 2012 für mehrere Jahre in Moskau, sind also bestens mit Land und Leuten vertraut. Nur viel Hoffnung, dass alles wieder gut wird in Russland, sobald das Land Wladimir Putin los wird, machen sie nicht, stellt
SZ-Kritiker Daniel Brössler fest. Dem nach
jahrzehntelanger journalistischer Recherche entstandenen Buch verdankt er Einblicke in ein Land, das einerseits die stalinistischen Verbrechen nie aufgearbeitet hat und andererseits unter dem aktuellen Regime systematisch auf Empathielosigkeit getrimmt werde, wie sich etwa in der geradezu sadistischen Soldatenausbildung zeige. Auch
FAZ-Kritiker Jörg Thomann lernt das ganze Ausmaß der
Verrohung der russischen Gesellschaft, die Zerstörung der Opposition im Land, die moralische
Kapitulation der Kirche, die Indoktrination der Jugend kennen. Einige Gespräche und Begegnungen in dem mit viel Anschauungsmaterial aus vierzig Jahren Russlandbeobachtung angereicherten Band findet er zwar nicht mehr relevant für die Gegenwart. Stark findet der Rezensent das Buch immer dann, wenn es Einzelschicksale über länger Distanzen verfolgt. Im
Dlf Kultur spricht Gesine Dornblüth über die russische Gesellschaft.