31.01.2006. Das Bücherjahr ist in voller Fahrt: Thomas Lang hängt preisgekrönt "Am Seil", zwei Altmeister melden sich zurück, Mozart und Franklin stellen sich vor, und Fernandel plädiert ohne Worte für ein sündiges Leben.
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Literaturbeilagen- in
Arno Widmanns Nachttisch- in
Vorgeblättert- in der
Krimikolumne "
Mord und Ratschlag"
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BücherbriefAm langen SeilVater Bert und Sohn Gert klettern auf den
Dachboden, um ihrem Leben gemeinsam ein Ende zu setzen. Für das Schlusskapitel von
"Am Seil" hat
Thomas Lang im vergangenen Jahr völlig zu Recht den
Bachmann-Preis bekommen, schwört die
taz. Aber nicht nur das Finale sei preisverdächtig, sondern der ganze Roman, der mal komisch, mal traurig, aber immer präzise die Geschichte der beiden
Versager erzähle.
Väter und Frauen Zwei Altmeister melden sich zurück:
John Updike lässt in
"Landleben" einen 70-jährigen Computeringenieur auf seine "
fieberhaft promiske" Existenz zurückblicken. Wie illusionslos der "VIP der Leporellokunst" hier den Sex als Mittel gegen den Tod schildert, imponiert der
FR nach wie vor. Auch
John Irving zeigt keinerlei Altersmüdigkeit:
"Bis ich dich finde" ist mit gut 1100 Seiten nicht nur sein bisher dickstes Buch, sondern laut
taz auch das persönlichste und stringenteste. Wenn Jack Burns sich auf die Suche nach seinem Vater macht, ergeben sich
hinreißende Szenen, die förmlich nach einer Verfilmung schreien, jubelt sie, und attestiert dem Wälzer eindeutige "
Seitenverschlinger-Qualitäten".
Familie frisst Glamour"Ellis, Ellis,
who the fuck is Ellis?", skandiert die
taz ein wenig verwirrt. Allerdings hat sich schon halb Amerika den Kopf darüber zerbrochen, was an
"Lunar Park" autobiografisch ist und was
Bret Easton Ellis nur erfunden hat. Ein junger, talentierter, versumpfter Schriftsteller versucht eine Familie zu gründen. Ebenso wie er alle diesbezüglichen Werte und Konventionen auf den Kopf stellt, will dieser Roman alles zugleich sein,
Kolportage und
Glamour-Satire und Gothic-Roman, was die
taz goutiert und die
FR ebenso sympathisch wie ambitioniert findet. Nur der
FAZ kommt die bunte Mischung unnötig aufgemotzt vor.
Ein Haus in LublinHanna Krall, neben Ryszard Kapuscinski die bedeutendste Journalistin Polens, fügt ihrem Panorama des vergessenen
jüdischen Lebens in Polen ein weiteres Fragment hinzu. In
"Eine ausnehmend lange Linie" konzentriert sie sich ganz auf die Bewohner eines Mietshauses in der
Altstadt von Lublin. Anfang des 20. Jahrhunderts sind es assimilierte Juden, die dort wohnen. Dann wird das Haus zu einem Sammelpunkt für Menschen, die im Osten vor den Russen und im Westen vor den Deutschen fliehen. Wie Krall mit ihrer
Montagetechnik Stück um Stück die Geschichte wieder lebendig macht, lässt die
FR so schnell nicht mehr los.
Mozart, der Harlekin Zu Mozart gibt es bald mehr Literatur als Einträge im Köchelverzeichnis. Wir haben die vier besten Neuerscheinungen ausfindig gemacht. Vom Informationsgehalt her kaum zu übertreffen ist laut Joachim Kaiser die kompakte
Minibiografie "Wolfgang Amadeus Mozart" von Gernot Gruber. Der Autor sei "
erschreckend"
gelehrt, wunderbar behutsam und angenehm nüchtern. Martin Geck hingegen, der in
"Mozart" auch sehr ausführlich auf die
einzelnen Werke eingeht, finden alle ausnehmend originell, von der ungewöhnlichen Diskografie bis zur Deutung Mozarts als
Harlekin. Rundum gelungen findet Joachim Kaiser außerdem die
Mozart-Biografie von Piero Melograni, einem Professor für zeitgenössische Geschichte. Kaiser imponiert vor allem die "
konkrete Weltfülle" des Buchs. Ein etwas anderer Zugang zu Mozart ist
Lorenzo da Pontes "Geschichte meines Lebens" Der Librettist Mozarts erwähnt sein berühmtes Werk "
Cosi fan tutte" zwar nur mit einem Satz, beschreibt sein Leben zwischen Wien, London und New York dafür aber so unterhaltsam, dass die
SZ gerne mehr gelesen hätte.
Wenn Cäsar hobeltEin "luzides Lehrstück", geschult an Thukydides wie Machiavelli, erbilckt die
NZZ in
Werner Dahlheims Biografie von
"Julius Cäsar" Die Legende Cäsar wurde erst nach dem Gallischen Krieg geboren, als er aus
Ruhmsucht seine Macht nicht mehr an den Senat abgeben wollte. Die
Zeit delektiert sich nicht nur an Dahlheims Sarkasmus, sondern hebt auch lobend hervor, dass er bei seiner spannenden Erzählung diejenigen nicht vergisst, die "bei den
Spänen waren, als Männer, die Geschichte machten, hobelten".
Benjamin wird 300 Am 17. Januar war
Benjamin Franklins 300. Geburtstag.
Edmund S. Morgan schildert das unerhört ereignisreiche Leben des Wissenschaftlers, Erfinders und Staatsmannes in
"Benjamin Franklin" inhaltlich so kompetent und stilistisch so elegant, dass die Rezensenten wunschlos glücklich sind. "
Leichtfüßig" wirkt die Biografie auf die
SZ, während die
NZZ nun nicht nur alles über Franklin, sondern auch über die amerikanische Revolution weiß. Besonders auf ein deutsches Publikum zugeschnitten ist
Jürgen Overhoffs "Benjamin Franklin" so die
NZZ. Neben Franklins Reise nach
Göttingen finde sich dort auch eine Rezeptionsgeschichte seiner Werke hierzulande.
Litauische SeelenwanderungGanz selbstverständlich reiht sich
Eugenijus Alisanka mit seinem Gedichtband
"Aus ungeschriebenen Geschichten" in die große Tradition litauischer Lyrik ein, schreibt die
FAZ bewundernd. Am besten gefällt ihr der zweite der vier Teile, in dem Alisanka Europa als "
tabula rasa" beschreibt, auf der "Reiche und Mächte mit Blut die Spuren ihrer Herrschaft" eingeritzt haben. Die
Zeit hält Alisanka gar für den ersten Vertreter einer gesamteuropäischen Literatur, während die
NZZ der "
nomadischen Seele" des Dichters gebannt an die Ränder des Kontinents folgt.
Wie ist das mit Ihnen?"Wir Amerikaner lehnen das
sündhafte Leben strikt ab. Wie ist das mit Ihnen, Monsieur?" Ohnehin schon knifflig, doch
Fernandel durfte wie auf alle anderen Fragen, die der Fotograf
Philippe Halsman dem französischen Schauspieler für
"The Frenchman" vor gut sechzig Jahren stellte, nur mit seiner zugegebenermaßen sehr ausdrucksstarken Mimik antworten. Herausgekommen ist ein "
hinreißend komischer" Fotoband, wie die
SZ versichert. "Frappierend" erscheint es der
FAZ, wie die damals noch als Kuriosum betrachteten kulturellen Unterschiede zu Tage treten.