PlagiatEine unoriginelle Literaturgeschichte
Alfred Kröner Verlag, Stuttgart
2009
ISBN
9783520351012, Gebunden, 577Seiten, 26,90
EUR
Klappentext
Die Geschichte des literarischen Plagiats ist eine Geschichte von Entführungsfällen. Die Texte, die hier verwandelt werden, gehören eigentlich an einen anderen Ort, im besten Fall wohl in eine seriöse Literaturgeschichte. Aus verschiedenen Gründen sind sie aber in dieses Buch gelangt, und hier sitzen sie nun beisammen und erzählen einander ihren Leidensweg, führen Anklage gegen ihre Entführer, rätseln über die Motive des ihnen widerfahrenen Verbrechens oder beraten gemeinsam über Fluchtpläne. Gesprochen wird über Wirtschaftszwänge, juristische Präzedenzfälle und mediale Revolutionen; über geborgte Wahrheiten, unbezahlte Rechnungen und ausgemachte Gaunereien; über Herren und Sklaven, Väter und Söhne, Geist und Geister; über das Nachmachen, das Erinnern und das Vergessen; über den Körper, die Seele und das, was das Plagiat davon übrig lässt.
Rezensionsnotiz zu
Süddeutsche Zeitung, 11.02.2010
Sehr eingenommen ist Lothar Müller von Philipp Theisohns Geschichte des Plagiats, der er Eloquenz und elegante Argumentation bescheinigt. Zunächst skizziert der Rezensent die aktuelle Gesetzeslage des Urheberrechts, um dann klarzustellen, dass es dem Dozenten für Literatur- und Kulturwissenschaft an der Zürcher ETH um das "Genre der "Plagiatserzählung"" geht, die er in angenehmer Lockerheit und unterfüttert mit Anekdoten angeht, wie Müller feststellt. So nimmt er die Leser genauso mit zu römischen Autoren, die das Plagiat analog zu geraubten Sklaven setzten, wie zu mittelalterlichen Mönchen, die ihr Leben mit dem Abschreiben fremder Texte zubrachten. Richtig aber setze seine Geschichte mit dem Buchdruck und der Entstehung des Buchmarkts ein, so der Rezensent weiter. Sehr interessiert verfolgt Müller Theisohns Überlegungen zu Cervantes "Don Quijote", den er überzeugend als ein "Dokument der Selbstbehauptung moderner Autorenschaft" interpretiert. Sehr bedenkenswert scheinen ihm auch Theisohns Darlegungen zum Urheberrecht in der digitalen Welt. Hier liest der Rezensent zustimmend einen Einspruch gegen die "medientheoretische Suggestion", in der Welt des Internets gebe es so etwas wie die "klassische Autorenrolle" nicht mehr und das Urheberrecht sei naturgemäß ausgehebelt.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2010
Alexander Honold drückt ein Auge zu, wenn Philipp Theisohn antritt, mal eben im Alleingang und im kurzweiligen Plauderton das Feld der Literaturgeschichte zu bestellen. Waren da nicht andere vor ihm? Geschenkt. Auch, weil der Autor so gar nicht an der Kriminalisierung von Plagiatstätern interessiert ist, sondern an der öffentlichen Dramatik solcher Fälle, an ihren gesellschaftlichen Bedingungen, die immer auch die des literarischen Schreibens sind, wie Honold beim Lesen erkennt. Auf Theisohns theoretische Zusammenschau eines Modells ästhetisch-juristischer Eigentumsverhältnisse und einer Chronologie der Werke, Autoren und Epochen lässt Honold sich ein und erfährt so einiges über den Definitionswandel in Sachen Plagiat. Dass der Autor es dabei nicht bewenden lässt, sondern dass er die "Zeitfolge selbst als ein Eigentumsverhältnis" in den Blick nimmt, was den Gedanken befeuert, Literatur könne möglicherweise gar nicht anders, als sich zu ihren Vorbildern zu verhalten, findet Honold wunderbar.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 30.07.2009
Ein wenig schwindelig ist Rezensent Jens Jessen nach diesen 600 Seiten schon, wie man liest. Denn es handelt sich seinen Informationen zufolge um eine höchst akribische Geschichte des Plagiats. Allerdings scheint der Autor so tief in sein Thema eingestiegen zu sein, dass ihm am Ende die ganze Literatur wohl wie ein einziges Plagiat vorgekommen ist, was die Lektüre für Jessen zwar immer wieder amüsant und aufschlussreich, letztlich aber wohl auch ein wenig redundant macht. Denn es scheint, das Verständnis Philipp Theisohns, was ein "Original" ist, ist den komplexen Anforderungen der Postmoderne nicht ganz gewachsen.