Peter Stamm

Nacht ist der Tag

Roman
Cover: Nacht ist der Tag
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
ISBN 9783100751348
Gebunden, 256 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Gillian ist eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, sie ist eine schöne Frau, sie führt eine abgesicherte Beziehung mit Matthias, sie hat ihr Leben unter Kontrolle. Eines Nachts hat das Paar nach einem Streit einen Unfall, ihr Wagen rammt auf nasser Straße ein Reh. Matthias stirbt, sie erwacht im Krankenhaus. Mit einem zerstörten Gesicht. Erst langsam setzt sich ihr Leben wieder zusammen und eine Geschichte aus der Vergangenheit wird zu einer möglichen Zukunft. Peter Stamms neuer Roman erzählt von einer Frau, die ihr Leben verliert, aber am Leben bleiben muss - eine Tragödie, die zu einem Neuanfang wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2013

Die Fernsehmoderatorin Gillian verliert durch einen Autounfall nicht nur ihren Mann, sondern auch ihr kapitales Aussehen und damit ihren Beruf, aber auch einige der Illusionen, die sie sich über ihr Leben und ihr Glück zu machen gewöhnt war, resümiert Rezensent Adam Soboczynski die Handlung von Peter Stamms Roman "Nacht ist der Tag". Gillian versucht, den Schicksalsschlag zum Anlass für einen radikalen Wandel zu nehmen, doch ihre Bemühungen verlaufen sich in der Mittelmäßigkeit des Alltags, den Stamm mit einer ordentlichen Portion "Schweizer Wohlstandsmelancholie" spickt, führt Soboczynski weiter aus. In der Durchschnittlichkeit, die der Autor mit seiner kühlen Sprache heraufbeschwört, spiegelt sich unsere eigene "unwilde Existenz", oder wenigstens die sehr, sehr vieler Menschen, vermutet der Rezensent. Ihm hat das Buch zwar sehr gut gefallen, aber ein wenig hat er sich hinterher nach wilden Abenteuergeschichten gesehnt, gesteht er.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.08.2013

Das Gefühl einer Kurzgeschichte, das Lennart Laberenz am Ende der Lektüre von Peter Stamms Roman verspürt, möchte der Rezensent nicht als Mangel verstanden wissen. Eher ist es ein Rätsel, das die Güte des Textes für ihn noch steigert. Vorher hat Laberenz sich vom Autor in die Welt gesteigerter Bürgerlichkeit entführen lassen, zu Professoren, Medienmenschen und Esoterikerinnen. Mit Stamms mitunter grausam kühlen Blick auf seine Protagonisten und ihre Stürze unterhält sich Laberenz gut, ebenso mit seinem Spott über Kunst und Literatur, vielleicht auch, da der Autor in der Beschreibung karg bleibt und ortsgebunden und auf kathartische Effekte verzichtet. Eine Leere, die dem Rezensenten die Figuren erst nahe bringen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.08.2013

Judith von Sternburg hält sehr viel von Peter Stamm, besonders schätzt sie an dem Schweizer Schriftsteller seine Kunst, präzise und ökonomisch zu schreiben. Dadurch kann er sich an Themen wagen, die bei einem weniger kühlen Autor ins Gefühlige abgleiten könnten. Stamm erzählt in diesem Roman von einer Fernsehmoderatorin, die bei einem Autounfall ihren Mann verliert, aber auch ihr Gesicht. Und er erzählt von einem in die Jahre gekommenen Künstler, dessen Kreativität mit jedem Jahr an der Hochschule mehr erschlafft ist. Wie beide sich einander annähern, ihr Leben neu beginnen, das hat Sternburg tief bewegt. Natürlich stecke da viel Du-musst-dein-Leben-ändern drin, aber niemals "Lebenshilfe", versichert die Rezensentin, die auch sehr angenehm überrascht war von Stamms elegant eingebauten Seitenhieben auf den Kulturbetrieb.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.08.2013

In gewohnter Manier wirft Peter Stamm in seinem neuen Roman "Nacht ist der Tag" die große "Desillusionierungsmaschinerie" an, berichtet Hans-Peter Kunisch. Zu Beginn ist es wieder einmal das moderne Kleinbürgertum in seiner ganzen banalen Pracht, das der Autor sich vorknöpft, und wieder einmal liebäugelt der Plot heftig mit dem Kitsch: heimliche Fotos, Ehekrise, Unfall, Gillian, eine bekannte "Fernseh-Kulturfrau" überlebt, ihr kapitales Gesicht allerdings nicht, es folgt die Sinnkrise, fasst Kunisch zusammen. Was dem Rezensenten gefällt, ist der Perspektivwechsel, den Stamm nach etwa der Hälfte des Buches vollzieht, plötzlich schreibt er aus der Sicht eines erfolgreichen Fotografen, von dem auch die verhängnisvollen Nacktfotos stammen. Von Gillian noch vollkommen verklärt vorgestellt, offenbart sich in der Innenansicht auch der Künstler als Wurm. Stamm zeigt: auch auf dem Siegertreppchen stehen bestenfalls "Menschen mittlerer Größe", erklärt Kunisch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.07.2013

Ganz so einfach hätte es sich der Autor laut Roman Bucheli nicht machen sollen. Von Frischs "Stiller" her gesehen kommt ihm Peter Stamms Roman wie die Schwundstufe der Literatur vor. Dies, weil nämlich Stamm für Bucheli allzu esoterisch von Selbstverlust und Selbstfindung schreibt (hier: einer ehedem erfolgreichen Schauspielerin, die nach Autounfall zu sich selbst, d.h. die Freiheit findet). Das Motiv wird vom Autor ohne größeren Erkenntnisgewinn oder Ironie derart durchexerziert, dass Bucheli bald die Nase voll hat. Mehr als Kitsch bleibt am Ende nicht übrig, erklärt er einigermaßen verärgert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.07.2013

Nach der Lektüre von Peter Stamms neuem Roman "Nacht ist der Tag" weiß Rezensentin Felicitas von Lovenberg einmal mehr: Dieser Autor ist ein Meister des intensiven und eindringlichen Kammerspiels. Und so folgt sie gebannt der Geschichte um die Fernsehmoderatorin Gillian, die bei einem Autounfall nicht nur ihren Mann, sondern auch ihr Gesicht verliert. In Rückblenden erfährt Lovenberg, wie die introvertierte und egozentrische junge Frau mit ihrem ehemals "perfekten" Leben abschließt, um langsam mit dem Künstler Hubert ein neues zu beginnen. Die Kritikerin bewundert nicht nur Stamms "puristische" und konzentrierte Darstellung, sondern auch seine Kunst, die Figuren psychologisch ganz nahe heranzuholen, ohne sie zu analysieren. Selten hat jemand so wunderbar leise über Wünsche, Träume und Lebensziele geschrieben wie dieser herausragende Autor, lobt die Rezensentin.
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