Peter Glaser

Geschichte von Nichts

Erzählungen
Cover: Geschichte von Nichts
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462033106
Gebunden, 192 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Der Titel ist Programm: Es geht um nichts - und doch um alles, nämlich um den Menschen in der modernen Alltäglichkeit. Geschichten mitten aus dem Leben also, die um die eine große Frage kreisen: Wie kann man bestehen in einer Welt, die sich jeder Sinngebung verweigert? Peter Glaser liefert keine Antworten, aber Beispiele dafür, wie Menschen sich behaupten, obwohl sie keine Helden sind. Mit extrem geschärfter Wahrnehmung und einer Lakonie, die den Zumutungen der Wirklichkeit ein feines Lächeln entgegensetzt, folgt er ihren Versuchen, Anschluss zu finden, glücklich zu werden, durchzuhalten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.01.2004

Ulrich Rüdenauer feiert die triumphale Rückkehr von Peter Glaser in die Literatur, die er in den frühen 80ern schon einmal ordentlich durchrüttelte, bevor er für lange Jahre in der Anonymität des "weltweiten Netz verfangen war". Vor zwei Jahren, erinnert Rüdenauer, tauchte Glaser dann in Klagenfurt auf und gewann, mit seiner "Geschichte vom Nichts", die Titel und Ton für den Erzählungsband vorgibt, der den Rezensenten beglückt staunen lässt: diese Aufmerksamkeit für die Materialität der Welt, für das "Fantastische des Alltags", diese Behutsamkeit der Wortwahl - manchmal "preziös", fast immer "präzise"! Glaser interessiere sich für Idiosynkrasien, für "leicht aus ihren Wirklichkeitszusammenhängen geworfene Menschen" und "Wahrnehmungsmaniacs", in deren Blick "die kleinen Dinge des Lebens" verzerrt und vergrößert sichtbar werden und ein Eigenleben entwickeln, das den Leser das Hinschauen lehrt und den Wunsch nach Erklärungen vergessen lässt. Fazit: "ein spektakuläres Comeback"!

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.12.2003

Weil Peter Glaser, als er 2002 den Bachmann-Preis erhielt, wie ein "Fremdgänger im Betrieb" wirkte, lässt Hans-Peter Kunisch seine eigenwillige Karriere noch einmal Revue passieren: Er sei immer schon gut gewesen, doch dann vergingen wieder viele Jahre bis zum nächsten Buch, und außerdem gab es anfangs, etwa beim Avantgarde-Sammelband "Rawums", noch diese "Angeberei". Doch auch schon eine unglaubliche Genauigkeit der Beobachtung und dieselbe "Skepsis gegenüber den Gefühlen", die ein besonderes "Verhältnis zur Dingwelt" beförderte. Jetzt habe Glaser bestechend gute Erzählungen geschrieben, bei denen sich Kunisch "an ebenso genauigkeits- und technikbegeisterte wie exaltiert empfindungsstarke Autoren der Moderne wie den Musil der 'Vereinigungen' oder den Benn der Rönne-Novellen erinnert" fühlte. Glaser habe eine Sprache, die nur auf den ersten Blick manieriert wirke, denn "jeder Schnörkel, jeder Gedanke, jede Übergenauigkeit" diene dazu, "die raue Oberfläche der Dinge fühlbar zu machen", und er sei ein "Spezialist für Vergleiche, die dem Leser vor dessen Auge die Welt zerlegen". Kunischs Fazit: eines der "interessantesten Bücher der letzten Jahre".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.11.2003

Was auf Peter Glasers Figur Pit Heylmann zutrifft, so der Rezensent Gerrit Bartels, scheint auch auf den Autor selbst zuzutreffen: Ihm sind Geschichten zuwider, "er mag keine Plots, er hat was gegen Stringenz", leicht nacherzählbare Geschichten, die "einer Auflösung zustreben". Diese Abneigung spreche auch aus den fünf Erzählungen seines neuen Buches "Die Geschichte von Nichts" - auf beeindruckende Weise. Dass der Rezensent dadurch in Schwierigkeiten gerät, sagt er selbst: Die Erzählung "Nach einem langen Sommer" zum Beispiel sei "die Geschichte eines Mannes, der sich mit seiner Frau nicht mehr versteht, eine Geschichte über das Licht, die Dunkelheit und das Sehen, eine Geschichte, die aus lauter Wahrnehmungssplittern besteht und ohne echtes Zentrum ist". Glasers Figuren sind "ich-gestört", erleben Dinge nicht einfach, sie gehen auf - nicht unpathetische - "Wirklichkeitssuche", üben sich in der Betrachtung der Dingwelt, in der Schärfung ihrer Sinne und gelangen ins Komplexe, ins Labyrinthische. Die Weltsplitter, die aus den Erzählungen hervorgehen, bilden für den Rezensenten niemals ein Ganzes, es scheint ihm, als trieben die Erzählungen eher auseinander, und hätten weder Anfang noch Ende, sie wirken für Bartels fast "noch ungeschrieben". So wie Bartels es schreibt, ein wenig unsicher, und doch angetan, klingt es wie ein Lob.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.10.2003

Viel verbindet die voneinander, wie es zunächst scheint, ganz unabhängigen Geschichten dieses Bandes, stellt Marion Löhndorf fest. Der Blick auf die Welt ist es zuallererst, ein Blick, der vieles wie zum ersten Mal betrachtet und selbst viel kommentierten Phänomenen, so die Rezensentin, in der literarischen Beobachtung zur Schwerelosigkeit verhilft. Gebunden ist dieser Blick an die Figuren, die so etwas wie Künstler sind oder gerade nicht, Metz etwa (in der Titelgeschichte), der "das Geheimnis der Pyramiden" gelüftet hat, wie er glaubt. Oder Lehneisen (in der Erzählung "Keiner"), der Mann der "klaustrophobischen Theaterideen", der ein Stück in einer Telefonzelle inszenieren will, mit einem Darsteller und einem Zuschauer. Untergründiger verbunden sind die Geschichten aber auch durch wiederkehrende Motive und auch Figuren, die mitunter um ein weniges ihre Namen ändern. Der Ton der Erzählungen werde nie wehleidig, meint die Rezensentin nicht unerfreut, auch wenn es ständig um von Frauen verlassene Männer gehe. Vielmehr zeichnet sie eine Komik aus, die gelegentlich ins Alberne gleite - und eine Sprachfindungslust des Autors, die nur selten mal ins allzu Gesuchte abrutsche.
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