Paul Auster

Mann im Dunkel

Roman
Cover: Mann im Dunkel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2008
ISBN 9783498000806
Gebunden, 220 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Ein Mann erwacht in einem tiefen Erdloch. Wie er hineingekommen ist, weiß er nicht. Zufällig hat er noch seine Brieftasche und versichert sich, dass er Owen Brick heißt und als Zauberer in Queens lebt. Als ihn bei Tagesanbruch schließlich ein Uniformierter befreit, spricht der ihn jedoch als "Corporal Brick an und gibt ihm nebst einer geladenen Pistole den Auftrag, sich in die nächste Stadt zu begeben und dort im Auftrag der Sezessionstruppen einen Mann zu erschießen, dessen Tod den seit Jahren tobenden Bürgerkrieg sofort beenden würde. Bürgerkrieg? Man schreibt doch das Jahr 2007, Amerika führt Krieg im Irak, aber einen Bürgerkrieg? Der Soldat starrt Brick an: Krieg im Irak? 9/11? Nein. Er spinne wohl. In Wahrheit hätten sich nach der betrügerischen Wahl im Jahre 2001 diverse Staaten aus der Union verabschiedet, die Folge sei ein blutiger Krieg um die Macht in Amerika.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.01.2009

Kai Wiegandt hat in Paul Austers "Mann im Dunkel" viele bekannte Motive entdeckt: fließende Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit und Protagonisten, die sich eingeschlossen im Dunkeln wieder finden. Austers neuer Roman aber ist weit weniger verspielt und viel finsterer als alle vorherigen, stellt der Rezensent fest. Es geht um Owen Brick, der August Brill als den Urheber eines amerikanischen Bürgerkriegs eliminieren soll, der sich wiederum als der Schriftsteller herausstellt, der sich Bürgerkrieg und Protagonist ausgedacht hat, erklärt der Rezensent die verwickelte Handlung. Zugleich aber muss sich Brill, der unter seiner unglücklichen Biografie leidet, mit der Trauer und dem Trauma der Enkelin auseinandersetzen, deren Mann im Irakkrieg vor laufender Kamera hingerichtet worden ist. Aus den Parallelgeschichten ergibt sich die Frage, inwieweit Krieg und privates Unglück "vergleichbar" sind. Auster gibt sich Reflexionen über die Verknüpfung von "Literatur, Tod und Trost" hin, die Wiegandt durchaus gefesselt verfolgt. Einzig, dass der Irak in Austers Roman weit weniger real erscheint als die geschilderte Parallelwelt, findet der insgesamt beeindruckte Rezensenten etwas "heikel".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.12.2008

Für Ulrich Sonnenschein scheint hier ein ganz neuer Paul Auster am Werk zu sein. Nicht mehr nur die reine Autorenwelt, sondern tatsächlich ein Präsident namens Bush und die aktuelle (Kriegs-)Politik treten dem Rezensenten aus den Seiten des Romans entgegen. Formal sieht Sonnenschein die strukturelle Beliebigkeit früherer Romane des Autors von einer konzentrierten, kompakten Bauweise abgelöst. Verschiedene Schicksalsschläge werden zueinander und zur politischen Situation in Beziehung gesetzt. In dieser neuen Ordnung erkennt Sonnenschein den verlorenen Charakter kafkaesker Prägung als "Symbolfigur in einer politischen Parabel". Dass neben den so entstehenden "Kriegsgeschichten" auch eine Liebesgeschichte "voll von persönlichen Details" Platz hat, findet Sonnenschein nur folgerichtig: Eine weitere der möglichen Welten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.12.2008

Als ?kleines, turbulentes kafkaesk-komisches, im Grunde todtrauriges Meisterwerk? feiert Rezensent Klaus Harpprecht Paul Austers vielschichtig erzählten neuen Roman. Darin geht es Harpprecht zufolge um einen alten, verkrüppelten Literaturkritiker im Ruhestand, seine Tochter und seine Enkelin. Der alte, albtraum-geplagte Mann denke sich als Überlebenstechnik immer wieder Geschichten aus, so dass sich für den Rezensenten langsam Realitäten ineinander schieben, weil der alte Mann in seinen Fantasien in verschiedene Rollen schlüpft. Erotik kommt ins Spiel, eine Liebesgeschichte. Am faszinierendsten findet der Rezensent jedoch, wie Auster in seinen von wuchernder Fantasie geprägten Roman immer wieder ?die eindeutige Realität der gegenwärtigen amerikanischen Krise? einbrechen lässt - samt der daran geknüpften Kriege, wo Auster, wie man liest, auch vor großer Drastik nicht zurückscheut. Bewegt notiert Harpprecht auch, dass Auster das Buch dem israelischen Schriftsteller David Grossman und seiner Frau Michal gewidmet hat, die ihren ältesten Sohn im Libanonkrieg verloren haben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.12.2008

Nachdem ihn die letzten beiden Romane von Paul Auster wenig begeistert haben, sieht der hocherfreute Rezensent Jürgen Brocan den Autor mit "Mann im Dunkel" wieder "auf der Höhe seines Schaffens". Auster greift nicht nur das Motiv der Parallelwelt auf, er begibt sich - wie schon im vorangegangenen Roman "Reise im Skriptorium" - auch wieder auf die verschlungenen Wege der Metaliteratur, so der Rezensent beeindruckt. Im Mittelpunkt steht oder besser liegt ein durch einen Unfall ans Bett gefesselter Mann, August Brill, der sich nachts, um von der schrecklichen Wirklichkeit abzulenken, eine nicht minder schreckliche Geschichte ausdenkt. In dieser Geschichte gerät ein Mann in einen Bürgerkrieg und wird "zwangsrekrutiert", um den Kriegsurheber - es handelt sich um Brill selbst - umzubringen, skizziert der Rezensent die verwickelte Handlung. Brocan bewundert die leichte Hand, mit der Auster sein komplexes Erzählnetz aufspannt, und registriert anerkennend den "leichten", "kunstvoll ungekünstelten" Ton, mit dem Auster seinen an Düsternis kaum zu überbietenden Roman zu einer fesselnden Lektüre macht.