M. Agejew

Roman mit Kokain

Cover: Roman mit Kokain
Manesse Verlag, Zürich 2012
ISBN 9783717522867
Gebunden, 256 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Valerie Engler und Norma Cassau. Im von Skandalen und Narzissmus geprägten Umfeld des vorrevolutionären Moskau wächst Wadim bei seiner verwitweten und verwahrlosten Mutter auf. Ihre abgöttische Liebe vermag er auszunutzen und straft sie zugleich mit Hass und Verachtung. Er selbst empfindet nur für Sonja Liebe, doch erkennt er nach und nach eine innere Zerrissenheit, eine Unvereinbarkeit von körperlicher und geistiger Begierde, die ihn in den Wahnsinn treibt und seine Beziehung zu zerstören droht. Wadim verfällt dem Kokain, und es beginnt ein atemberaubender Kreislauf von tosendem Jubel und Bitterkeit. Von Halluzinationen gequält, begreift Wadim, dass es längst um Leben und Tod geht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.12.2012

Ganz hingerissen ist Christopher Schmidt von diesem bösen Buch, einem unterschlagenen, nun endlich (und, wie Schmidt anmerkt, hervorragend) übersetzt vorliegenden Meisterwerk, dessen Entstehung und Überlieferung, vom Rezensent ausführlich geschildert, selbst einen Roman wert wäre: Seit der pseudonymen Erstveröffentlichung 1936 in Paris häufen sich die Spekulationen über den eigentlichen Verfasser - manche meinen gar, es könne sich um Nabokov oder zumindest einen Schüler handeln, eine Theorie, der auch Schmidt recht aufgeschlossen gegenüber steht. Am Sonderrang dieses "humanen Buchs im Zottelfell der Diabolik" ändert die ungeklärte Autorschaft freilich nichts: In der intensiven Schilderung des sozialen und menschlichen Niedergangs eines jungen, intellektuell zwar reflektierten, aber doch zur Grausamkeit neigenden Mannes zu Zeiten der (unerwähnt bleibenden) Oktoberrevolution erblickt der Rezensent das passende Bild einer Umbruchsepoche, das ihm viel erzählt über die Dialektik einer Erziehung des Menschen zum Guten, die ins Böse umschlägt, wie dies auch der Fall im sowjetischen Staatsterrorismus gewesen sei, mit dem Schmidt die Hautfigur in Verbindung bringt. Nicht zuletzt wegen seiner außerordentlichen sprachlichen Kraft rückt der Rezensent das Buch schließlich umstandslos in die Nähe weiterer Hebungen meisterlicher Werke aus bislang unerschlossenen Archiven der russischen Literatur in dieser Saison.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.11.2012

Als "atemberaubendes und überwältigendes Meisterwerk" lobt Rezensent Felix Philipp Ingold den bei einem exilrussischen Verlag in Paris im Jahre 1936 erschienenen "Roman mit Kokain", den der Kritiker für eine Koproduktion zwischen Mark Levi, alias "M. Agejew" und dem jungen Vladimir Nabokov hält. Diese im revolutionären Moskau spielende Internats- und Pubertätsgeschichte über den ebenso zynisch "brutalen" wie unsicheren und "sentimentalen" Schüler Wadim Maslennikow erscheint dem Rezensenten stilistisch und bildsprachlich derart ausgefeilt, dass sie den Vergleich mit zeitgenössischen Meistern nicht scheuen muss. Gebannt liest er die leidvolle Geschichte Maslennikows, der als misanthropischer Versager nicht nur seine Mutter und Geliebten demütigt und durch Betrug und Missbrauch auffällt, sondern schließlich auch in die Kokainsucht abstürzt. Ganz eingenommen ist Ingold von der aus zahlreichen Stimmungsbildern und scharfsichtigen Einzelszenen zusammengesetzten, "rhythmischen Prosa" des Autors, den der Kritiker insbesondere für seine Kunst lobt, die Romanfiguren raffiniert und ohne Klischees in ihren körperlichen und seelischen Extremzuständen zu schildern. Darüber hinaus hat der Rezensent selten so einfühlsame und eindringliche Darstellungen von sexuellen Akten und Drogenkonsum gelesen wie in diesem Roman.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.11.2012

Hymnisch bespricht Rezensentin Katharina Teutsch den "Roman mit Kokain", den Mark Levi alias M. Agejew im Jahre 1936 in Paris veröffentlichte. Die Kritikerin, der sich während der Lektüre immer wieder Vergleiche zu Nabokov, Tolstoi oder Dostojewski aufdrängen, liest hier die Geschichte des jungen Wadim Maslennikow, der sich im vorrevolutionären Moskau immer weiter in moralische Schuld verstrickt. Mit gnadenloser Drastik beschreibe Agejew nicht nur, wie der skrupellose junge Mann seine Mutter und seine Geliebten demütige, sondern auch, wie er sich durch seine Kokainsucht selbst zerstöre, informiert die Rezensentin, die insbesondere die geschliffenen Sprachbilder dieses Romans hervorhebt. Nicht zuletzt bewundert Teutsch die politische Dimension dieses brillant zynischen Gesellschaftsromans über Schuld und Scham: Agejew, der seinen Roman vermutlich bereits in den zwanziger Jahren verfasste, habe die Rollen der Mitläufer und der Hetzer des Antisemitismus auf tragische Weise vorausgesehen.
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