Lucas Delattre

Fritz Kolbe

Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs
Cover: Fritz Kolbe
Piper Verlag, München 2004
ISBN 9783492045896
Gebunden, 398 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Michael Bayer. Allan W. Dulles, amerikanischer Spionagechef in Europa, traute am 17. August 1943 seinen Augen nicht: In Bern legte ihm ein unscheinbarer Mann ein Bündel mit "Geheimen Reichssachen" auf den Tisch. Der höchstgeheime Lageplan von Hitlers Hauptquartier war genauso darunter wie der Angriffsbefehl auf einen amerikanischen Schiffskonvoi im Atlantik. Dieser Mann war Fritz Kolbe, 43 Jahre alt und Beamter im Auswärtigen Amt. Seine Informationen waren so brisant, daß sie direkt an Präsident Roosevelt geleitet wurden. Tragisch war, daß sie oft viel zu spät im alliierten Hauptquartier ankamen - sonst hätten beispielsweise zahlreiche Judentransporte noch verhindert werden können ... Fritz Kolbe nahm nie einen Dollar für seine lebensgefährliche Tätigkeit: "Ich will nur etwas gegen diesen verbrecherischen Krieg tun!" Die Bundesrepublik Deutschland hat es ihm nicht gedankt: Er blieb "der Verräter".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.07.2004

Als eine "wichtige Facette" der Geschichtsschreibung über den deutschen Widerstand lobt Ralf Husemann den Beitrag von Lucas Delattre über den historisch bedeutenden, aber bislang eher unbekannten Fritz Kolbe. Der "einzig wirkliche Spion der USA in Nazi-Deutschland" schmuggelte als "George Wood" in den letzten zwei Kriegsjahren entscheidende Geheimdienstinformationen aus dem Berliner Auswärtigen Amt nach Bern in die Hände von Allen Dulles, den späteren Chef der CIA, und trug somit "seinen Teil zum Ende der Nazi-Barbarei" bei. Dennoch erntete er nach dem Krieg nicht die verdienten Lorbeeren, sondern das Etikett des "Verräters". Die Figur im Strudel zwischen Pflichtbewusstsein und Humanismus ist für Ralf Husemann von "grundsätzlicher Bedeutung", weswegen er diese erste umfangreiche Publikation zu ihm begrüßt. Er stellt das Buch als "phantasievoll" und "spannend" geschrieben vor, räumt aber ein, dass die Doku-Fiktion nicht jedem gefallen muss.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.06.2004

Fritz Kolbe war zu unscheinbar für die Geschichte, und deshalb, so Joseph Hanimann, hätte sie ihn beinahe vergessen, bis sich der französische Journalist Lucas Delattre seiner annahm und - so das Urteil des Rezensenten - seine Sache sehr gut machte. Der Grund für die Obskurität des Mannes, der zwischen 1943 und 1945 brisante "geheime Reichssachen" an die Amerikaner weitergab: Der mausgraue Beamte war so jenseits von intellektueller Grandeur oder heroischer Emphase, dass er beinahe unsichtbar war. Und was im Krieg seiner Tarnung förderlich war, beschleunigte hinterher sein Verschwinden in der Durchschnittlichkeit, aus der er kam. Was ihm, wie der Rezensent darlegt, anscheinend nur recht war. Und an diesem Punkt wurde es für Hanimann interessant: Wie kam es, dass dieser Mann eben doch anders, und zwar radikal anders handelte als Millionen anderer Durchschnittsdeutscher? Delattres Biographie, die in der "gut übersetzten deutschen Fassung eine Zeittafel und ein Personenregister hinzugewonnen" hat, gebe "Ansätze zu plausiblen Antworten", vor allem weil der Autor das Archivmaterial "mit Gespür für Szenen, Stimmungen und Motivhypothesen" zu einer Lebenserzählung zusammengesetzt habe. In der übrigens die Jahre vor und nach der Spionagetätigkeit, so lang sie auch waren, nur "Prolog und Epilog" sind. Aus der Banalität des Lebens heraus - und in sie zurück.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.05.2004

Malte Oberschelps Begeisterung über diese Biografie Fritz Kolbes, der während des Zweiten Weltkriegs als Spion der Amerikaner tätig war, ist groß. Der französische Autor Lucas Delattre ist der erste, der sich dem Leben des Spion widmet und dem mit diesem Buch nicht nur eine spannende Lebensbeschreibung, sondern gleichzeitig ein "interessanter Einblick" in die geheimdienstlichen Aktivitäten der Zeit gelungen ist, lobt der Rezensent. Dabei lese sich manches wie ein "Krimi", den Delattre allerdings in den Anmerkungen mit überzeugenden Quellen belegt, so Oberschelp begeistert. Wenn er auch findet, dass sich der Autor, was die ersten Jahre des Lebens seines Protagonisten angeht, allzu sehr in Kolbe "hineinversetzt", was der Rezensent auf einen Mangel an harten Fakten zurückführt, preist er das Buch insgesamt als "hochinteressantes Stück Zeitgeschichte" und zudem als angemessene Würdigung des Spions, der mit seinen Taten den Krieg "verkürzen half" und dennoch später in Deutschland als "Verräter" geächtet wurde, wie der Rezensent berührt mitteilt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.03.2004

Vermutlich musste es ein Franzose sein, der die Geschichte von Fritz Kolbe erzählt, dem, wie es im Untertitel des Buches heißt, "wichtigsten Spion des Zweiten Weltkriegs". Dem französischen Journalisten und Historiker Lucas Delattre, schreibt Hansjakob Stehle, ist es gelungen, lange verschlossene Staats- und Privatarchive zum Fall Kolbe auszuwerten, vor allem Kolbes Nachlass bei seinem Sohn in Australien zu sichten. Wer war Kolbe? Ein Beamter des Auswärtigen Amtes in Berlin, dem es als diplomatischer Kurier in den Jahren 1943/44 mehrfach gelungen war, Kopien kriegswichtiger Dokumente in die Schweiz zu schmuggeln und dem amerikanischen Geheimdienst zu übergeben. Das Bittere an Kolbes dramatischer Lebensgeschichte ist, meint Stehle, dass ihn die Amerikaner eher für einen naiven Spinner hielten und ihm wenig Dank zeigten, so dass es sich die Deutschen nach dem Krieg leisten konnten, Kolbe arbeitsmäßig kaltzustellen und ihn mit einer kleinen Rente abzufinden. Späte Ehrenrettung.
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