Günter Grass

Unterwegs von Deutschland nach Deutschland

Tagebuch 1990
Cover: Unterwegs von Deutschland nach Deutschland
Steidl Verlag, Göttingen 2008
ISBN 9783865218810
Gebunden, 258 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Ein sehr persönliches Dokument wird zur spannenden Zeitreise: Seit fast zwanzig Jahren bekommt Günter Grass von seinem Verleger Blindbände geschenkt, Bücher mit leeren Seiten, die er per Hand mit ersten Fassungen seiner Texte füllt. Und er nutzt sie als Tagebuch und damit als Nährboden für seine Ideen. Mit dem Jahr 1990 begann Grass sein bis heute anhaltendes intensives Notieren. Nach dem Mauerfall war Deutschland im Umbruch, und Günter Grass wollte nah dran sein an der Stimmung unter den Menschen und den politischen Debatten. Er war viel unterwegs in der Noch-DDR, war präsent, wo über die Zukunft und den Prozess der Wiedervereinigung gesprochen wurde, pflegte einen regen Austausch mit seinen Kindern und Freunden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.02.2009

Leser, die Günter Grass nicht mögen, werden ihn auch nach der Lektüre des Tagebuchs, in der der Nobelpreisträger Eindrücke aus dem Jahr 1990 notiert hat, nicht ins Herz schließen, meint Joachim Güntner, der sich wohl ebenfalls zu dieser Kategorie zählen lässt. Denn ganz authentisch zeigt sich Grass in Güntners Augen als genauso egoman, rechthaberisch und genusssüchtig, wie man ihn kennt, so der Rezensent. Wenn der Autor Waldsterben und das Schwinden der Ozonschicht beklagt, kann es sich der Rezensent nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass Grass einen Jeep fährt, als Hausbesitzer in drei Ländern zu den "Vielreisenden" gehört und mit Vorliebe seinen Kamin befeuert. Überhaupt stößt sich der Rezensent ein wenig an dem Wohlleben Grass', das ihm im minutiösen Festhalten der genossenen Schlemmereien mitunter geradezu gefräßig scheinen will. Trotzdem - hoch rechnet Güntner dem Autor an, dass er auch seine Irrtümer - wie beispielsweise seine Einschätzung des gerade ausgebrochenen Golfkrieges - in dem Tagebuch festhält und nicht etwa im Nachhinein korrigiert. So lässt sich dieses Buch auch als Zeugnis einer bestimmten Denkhaltung lesen, was Güntner grundsätzlich zu würdigen weiß.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.02.2009

Eher lähmend fand Rezensentin Ina Hartwig die Lektüre dieses Grass-Tagebuchs aus den Jahren um die Wende, das nun zum 20. Jahrestag des Mauerfalls erschien ist. Nicht nur "der bisweilen arrogante Politikberaterton" geht Hartwig gegen den Strich, sondern ebenso Günter Grass' völlig "ironiefreie Bedenkenträgerei". Auch die Tatsache, dass dieses sogenannte Tagebuch offensichtlich schon mit Blick auf eine Publikation hin verfasst worden ist und so mitnichten ein "Journale intime" ist, missfällt Hartwig. Denn ihr wird nicht klar, "wer hier zu wem spricht und zu welchem tieferen Zweck". Das Interessanteste an diesem Buch ist für die Rezensentin daher das, was nicht darin zur Debatte steht: die "verschmiemelte DDR-Nähe" Oscar Lafontaines oder die von Grass "unterschätzte desaströse Dimension" des Zusammenbruchs der UdSSR. Und die nur höchst unfreiwillig zu Tage tretenden Einblicke in Grass' psychische Verfassung, die für die Rezensentin der zur Schau gestellten Selbstzufriedenheit diametral entgegensteht. Das wichtigste Wort des Tagesbuchs lautet für sie daher "uneingestanden". Denn hinter allem ahnt sie (mit Blick auf die später bekannt gewordene SS-Mitgliedschaft des Autors) "ein Brodeln, eine Verzagtheit", spürt sie Selbstzweifel, für die sie sich und Grass "eine passende, befreiende Sprache" gewünscht hätte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2009

Friedmar Apel erwartet Ungewöhnliches, wenn Günter Grass schon einmal zum Tagebuch greift. Zu gering geschätzt denkt er sich die Chronistenpflicht im Werk des Autors. Doch Apel wird enttäuscht. Grass' "horizontale wie vertikale" Deutschland-Tour erscheint ihm als großmäulige, noch die peinlichsten historischen Analogien und politischen Visionen nicht scheuende Selbstfeier des Autors. Dass Grass sich gerne als Zigeuner imaginiert und behaglich zurückgelehnt den Weltenlauf kommentiert, geht dem Rezensenten schon gehörig auf die Nerven. Doch Apel ahnt noch Schlimmeres. Im 20. Jahr nach dem Mauerfall sieht er den Autor schon durch die Talkrunden tingeln.
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