Don DeLillo

Cosmopolis

Roman
Cover: Cosmopolis
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462033083
Gebunden, 208 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. New York an einem Tag im April 2000. Eric Packer, erfolgreicher und steinreicher Vermögensverwalter, fährt in seiner weißen Stretchlimousine durch die Stadt. Weltweit wackeln die Kurse, geraten die Finanzmärkte ins Trudeln. Auch Eric Packers Leben gerät ins Trudeln. 'Cosmopolis' ist die Geschichte dieses Tages - grotesk, witzig, böse, klug. Eric Packer ist achtundzwanzig und besitzt alles, was man besitzen kann - ein Milliardenvermögen, eine Luxuswohnung, eine reiche Frau. Zweierlei hat sich Eric, ein besessener Global Player, für diesen Tag im April 2000 vorgenommen, als er morgens in seine mit allen digitalen Finessen versehene Limousine steigt - er will zum Friseur auf der anderen Seite der Stadt und an der Börse spekulieren.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.10.2003

Ein Roman "wie am allegorischen Reißbrett" entworfen, meint Dorothea Dieckmann, aber leider erdrücke das Konzept die Sprache, und die sei nun mal noch vor der Sozialkritik das eigentliche Metier des Romanschriftstellers. Die "Spielfigur" in DeLillos Versuchsanordnung: der Cyberkapitalist Packer am Tag seines Niedergangs, seiner "Höllenfahrt" aus der digitalen Welt der virtuellen Gewinne in virtuellen Höhen hinab in die archaische Wirklichkeit von Manhattan, dort, wo es am heruntergekommensten ist. "Das Kapital ist eine Offenbarung, in der die sinnliche Welt verdampft", erklärt Dieckmann die Cyberexistenz Packers, die an einem Tag zusammenbricht, weil das System Fehler hat: ein plötzlicher Kurszusammenbruch, ein plötzlicher Zweifel in Packers Kopf, eine nostalgische Erinnerung - der Niedergang ist eine Rückkehr in die Vergangenheit der stofflichen Welt und der Emotionen. Das aber, findet Dieckmann, "ist zu viel, das geht zu glatt. Die Abrechnung mit dem Börsenfetischismus der Neunziger, die Widerlegung der kapitalistischen Rechnung geht zu gut auf." Die spiegelglatte Fassade der Allegorie verdecke DeLillos "Zimmer aus Wörtern".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

Das Buch, das sich ein Roman nennt, sperrt sich, findet Burkhard Müller. Es gibt sich widerspenstig, will behandelt werden wie Lyrik, vermutet er, zumindest mit Andacht gelesen und das in mehreren Anläufen. Müller scheint sie bewältigt zu haben, doch so richtig besänftigen lässt sich sein Unmut über diese erzwungene literarische Wallfahrt nicht. Schon der Protagonist, ein Superschlauer, der Einstein auf Deutsch lesen kann und das Wesen eines Zenmönchs mit dem Reichtum Dagobert Ducks verbindet, ist ihm nicht geheuer. Seiner Meinung nach versucht DeLillo in diesem Roman die Synthese seiner letzten beiden Romane "Unterwelt" und "Körperzeit", das heißt, Makro- und Mikrokosmos in einem weltumspannenden Gesamtbild zu fassen. Die mit allen modernen Mitteln ausgestattete Limousine des Börsenspekulanten gibt dafür ein brauchbares Bild ab, bescheidet Müller: geschlossener Raum und globales Gebaren. Ihn stört das Thesenhafte des Buches, in dem viel über die neue Immaterialität der Welt theoretisiert wird. Müller dagegen gefallen die Sexszenen eindeutig besser. Auf eine weitere Schwierigkeit weist der aufmerksame Rezensent hin: der bewährte Übersetzer Frank Heibert stoße teilweise an die Grenzen des Übersetzbaren. Aber: "Was Heibert nicht retten kann, hätte DeLillo vielleicht nicht schreiben sollen", wirft der Rezensent in die Debatte.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.09.2003

Beeindruckt zeigt sich Harald Fricke von Don DeLillos jüngstem Roman "Cosmopolis", dem man seines Erachtens zu Unrecht als politischem Chronisten der USA ein Beschweigen aktueller Probleme wie dem Terrorismus vorgeworfen hat. Für Fricke beschäftigt sich DeLillo sehr wohl mit den Ängsten des 21. Jahrhunderts, indem er den Versuch unternimmt, das Strudeln der New Yorker Wirtschaftselite im globalen Marktgefüge zu beschreiben und in Person des jungen Bankers Eric Packer (der im übrigen durch eine Kugel stirbt) das so abstrakt erscheinende Verhältnis von Geld, Markt und Mensch zu erforschen. Darum wirke der nur 200 Seiten starke und verdichtete Roman auch nur auf den ersten Blick wie ein Film Brian de Palmas, meint Fricke: die Welt des Geldes hinter glitzernden Fassaden versteckt, aus getönten Limousinenfenstern betrachtet, mit extravaganten Schwenks und Weitwinkeleinstellungen sowie brutalen Zwischenschnitten dingfest gemacht. Erzählerisch schlägt sich diese Sichtweise mal in atemloser Action, mal in eher existenzialistischen Meditationen nieder, so der Rezensent. Denn in Wirklichkeit gehe es DeLillo darum hinter die Fassaden, hinter die Oberfläche der Dinge zu dringen; "Cosmopilis" ist der Versuch, schreibt Fricke, den "Terror der Verdinglichung" aufzubrechen und den "Markt als lebendigen Organismus" zu begreifen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.08.2003

Etwas enttäuscht zeigt sich Angela Schader von Don DeLillos neuestem Werk "Cosmopolis", dem sie fehlendes "Irritationspotenzial" ankreidet. Denn anders als in DeLillos älteren Romanen fehle dem Protagonisten von "Cosmopolis", einem erfolgreichen New Yorker Börsenspekulanten, eine tiefere Ambivalenz und jenes "Maß an Unauflösbarkeit", das seine "früheren Charaktere auszeichnete". Eric Packer sei fast in Überlebensgröße die Karikatur eines Börsenspekulanten, kritisiert Schader, wobei sie einräumt, dass es DeLillo noch nie auf Sympathie mit seinen Figuren angelegt hätte. Obwohl in seinen letzten beiden Büchern, sinniert Schader, "ein leichter Temperaturanstieg im menschlichen Klima" zu verzeichnen gewesen wäre. Auf Spannung zielt das Buch nicht, obwohl es mit einem Mord endet, versichert die Rezensentin. Während Packer in seiner Limousine durch das von Globalisierungsgegnern lahmgelegte Manhattan schiebt, handele er in einer Reihe von Begegnungen fast thesenhaft-philosophisch Börsenkurse, Geld- und Datenströme, die unkontrollierbar gewordenen Märkte ab. DeLillo wäre nicht DeLillo, wenn er bei aller Kapitalismuskritik nicht jeden Betroffenheitston vermeiden würde, beschwichtigt Schader, stattdessen trüge er seine Analyse mit einer gehörigen Portion Sarkasmus vor. Doch auch der schütze nicht davor, dass seine Klage vertraut klänge.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.08.2003

Vor kurzem erst hätten die beiden Shooting Stars der amerikanischen Literaturszene, Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides, den literarischen Ansatz eines Thomas Pynchon oder Don DeLillo für überholt erklärt, wundert sich Christoph Schröder. Weit gefehlt, denn "Cosmopolis", der jüngste Roman des mittlerweile 66-jährigen DeLillo, der diese Woche auf Deutsch erscheint, straft dieses Statement Lügen, befindet der Rezensent. "Cosmopolis" sei verstörend, brillant geschrieben und superintelligent, schwärmt Schröder, ein "historischer Roman aus dem Cyberspace" von großer diagnostischer Qualität, der beweise, das sich die "radikal-technoide Ästhetik" eines DeLillo noch lange nicht erledigt habe. Charaktere, Psychologie gebe es in dem Roman von gut 200 Seiten kaum, gibt Schröder zu, dagegen ertöne der kühle charakteristische DeLillo-Sound, der sich mit einem "kalten Schnitt" und präzisem analytischem Besteck in das Milieu der Global Players wagt. Formal beschreibt der Roman die Fahrt eines solchen Global Players zum Friseur quer durch die Stadt, die so zu einer Art Stationendrama im Finanzmilieu wird - mit tödlichem Ausgang. Denn, so lautet Schröders Schlussfolgerung, dem permanenten Zahlenrausch und der unentwegten Beschleunigung der Zeit durch Datenströme sei nur noch durch anachronistische Akte Einhalt zu gebieten. Insofern, sinniert der Rezensent, sei dieser Roman womöglich der Abschied von einer Ära, die viele noch als Zukunft betrachteten.
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