Annett Gröschner

Moskauer Eis

Roman
Cover: Moskauer Eis
Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2000
ISBN 9783378006287
Gebunden, 250 Seiten, 17,38 EUR

Klappentext

Als Annja ihren vermissten Vater tiefgefroren in seiner Kühltruhe findet, glaubt sie zu träumen: Die Truhe ist an keine Steckdose angeschlossen. Sollte es sich hierbei um das letzte Experiment ihres Vaters, eines Gefrierforschers, handeln? Oder gar um die Rache der SED-Bezirksleitung an dem sozialistischen Eigenbrötler? Annjas Suche nach den Hintergründen wird zu einer Reise in die Geschichte ihrer Familie, in der die Begeisterung für die Zustände rund um den Gefrierpunkt über Generationen vererbt worden ist. Denn Kälte ist nicht gleich Kälte, und Speiseeis nicht gleich Speiseeis - schon gar nicht in der DDR. Voller Erzählfreude hat Annett Gröschner ihre biografischen Erfahrungen als Mitglied einer Familie von manischen Gefrierforschern und Kühlanlagenkonstrukteuren zu Metaphern für das Leben in deutschen Landen vor und nach 1989 verdichtet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.01.2001

Claus-Ulrich Bielefeld findet dieses Romandebüt über ein Leben in der DDR sehr gelungen. Die Autorin beherrscht die Stimmungspalette von "komisch bis traurig, von melodramatisch bis lakonisch", ohne je in Sentimentalitäten abzurutschen, preist der Rezensent. Der Roman fange wie ein "Brennglas" die alltägliche Wirklichkeit der DDR ein und sei dabei sowohl "authentisch" als auch von "parabelhafter Eindringlichkeit". Bei so viel Lob muss der Rezensent dann aber doch noch ein bisschen meckern: die Nebenfiguren findet er mitunter wenig "prägnant gezeichnet". Auch hätte etwas mehr "Stilwillen und Konzentration" nicht geschadet, wie er meint. Aber dennoch sieht er sich von der Erzählfreude der Autorin mitgerissen. Resümierend preist er Gröschner dafür, auf sehr individuelle Weise die "abseitige Geschichte der DDR" geschrieben zu haben.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.12.2000

Der Romananfang von "Moskauer Eis" riecht "ziemlich nach Schund", findet Rezensentin Aureliana Sorrento. Doch am Ende ist sie davon überzeugt, der Autorin sei "beinahe ein Meisterwerk gelungen". In "Schund"-Nähe sieht Sorrento sprachliche Plattitüden und das allzu gewollte Ziel Gröschners, "den Nachwenderoman zu schreiben." Meisterlich findet die Rezensentin hingegen Gröschners Fähigkeit filmisch zu erzählen und "jene besondere Form von Humor, die man `Nach-DDR-Komik` nennen könnte." Doch beschreibe Gröschner in ihrer Geschichte auch 40 Jahre DDR-Alltag als "scheckige Collage" und vermeide dabei jegliches "ostalgische Klagegedöns." Dabei gleitet "das Groteske (?) unmerklich in einen Traumzustand über", schreibt Sorrento und findet, dass "selbst die Zeit" gefriert, wenn sich das Bewusstsein der Ich-Erzählerin "funkensprühend um die eigene Achse" dreht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

Der Rezensent Peter Böthig ist ziemlich angetan von Annett Gröschner erstem Roman, der für ihn "ein eindrucksvoller Nachweis ihres epischen Talents" und neben vielem anderen auch ein guter Krimi ist. Hier geht es um eine Familie von Kältetechnikern und Speiseeisforschern in "der furchtbarsten Provinz" der DDR. Die Familiengeschichte trägt skurrile Züge, es wimmelt von "ins Groteske gesteigerten Details" - er lobt besonders die bizarren Zeitdokumente, die Gröschner in ihren Text einbaut. Trotz ihr "fast lakonischen Sprache" bringe die Autorin ihren Protagonisten aber den notwendigen Respekt entgegen. Erzählerin ist die Tochter Anna, die nach Böthigs Meinung einen guten Einblick vermittelt in eine typische Jugend in der DDR. "Aus der prosaischen Welt der Kältetechniker und Gefrierprodukte verdichtet sie eine poetische Metapher für das Leben in Zeiten des Kalten Krieges." Böthig merkt an, dass das Buch für Westdeutsche wohl etwas schwerer zu verstehen sein dürfte als für Menschen aus dem Osten. Das tut seinem positiven Fazit aber keinen Abbruch, vielmehr sieht er Bedarf für ein "sozio-kulturelles Wörterbuch der DDR-Sprache", um solche Texten besser verstehen zu können.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.11.2000

Ein Erinnerungsbuch, eine Familiengeschichte und ein mit Irrwitz und Realismus hantierender DDR-Roman wird hier besprochen. Karl-Heinz Ott hat das Buch offenbar gern. Ihm gefällt, wie die junge Autorin, statt zu urteilen, "einzig Anspruch auf ein `es war einmal` erhebt" und mit Komik erzählt, "was im Grunde nur mit Wut zu ertragen ist". Dass sie das Bild eines Lebens in der DDR entstehen lässt, das "so schillernd wie jedes andere auf der Welt sein konnte", macht den Rezensenten staunen. Dies um so mehr, als die Leichtigkeit und der Witz des Buches die Trauer nicht verdecken könnten über das Vergangene, das immer zuerst das Eigene sei.
Stichwörter